Zur Geschichte des Kreuzsymbols
Das Kreuz ist lange vor der Entstehung des Christentums in vielerlei Religionen als Symbol bekannt. Die vierfachen Kreuzarme, die sich vom Schnittpunkt der waag- und senkrechten Linien aus erstrecken, symbolisieren das Umfassen der ganzen Welt von einem gegebenen Mittelpunkt aus. Oft ist das Kreuz auch in einen Kreis eingezeichnet. Schon aus der Bronzezeit sind sog. Radkreuze bekannt.
Von den frühen Christen wurde das Kreuzsymbol noch nicht verwendet. Da die Kreuzigung im gesamten Römischen Reich und darüber hinaus als Strafe für übelste Verfehlungen bekannt war, sollte diese Bewertung von Jesu Tod nicht noch verstärkt werden. Zwar machte der Apostel Paulus konsequent den schimpflichen Kreuzestod Jesu zum Kern seiner Heilsbotschaft: „Wir predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit …. Uns aber, die wir selig werden, ist’s eine Gotteskraft“ (1. Korintherbrief 1,18 und 23). Doch sollte es noch Jahrhunderte dauern, bis das Kreuz allgemein als Zeichen des Sieges Jesu Christi über den Tod und der Versöhnung mit Gott verstanden wurde.
Die Wende dazu geschah durch Kaiser Konstantin und seinen Sieg über seine Konkurrenten um die römische Kaiserwürde. Es ist überliefert, dass er diesen Kampf im Zeichen des Kreuzes führte. Er erklärte dann im weiteren Verlauf das Christentum zur Staatsreligion. Indem er für die früheste Peterskirche in Rom am Grab des Apostels Petrus ein monumentales goldleuchtendes Kreuz errichten ließ, war der Weg frei zum Verständnis des Kreuzes als Siegeszeichen des Glaubens.
Kirchen aus der frühen Zeit des Christentums im Osten des römischen Reichs zeigen in ihren Apsis-Kuppeln den von Gott zum Weltherrscher eingesetzten Jesus Christus und über ihm das Kreuz. Unübersehbar ist in Ost und West die Verknüpfung der theologischen Deutung mit politischen Machtansprüchen. Der Bogen spannt sich von den oströmischen Kaisern, sie sich wie der Papst im westlichen Rom als Vertreter Christi auf Erden verstanden, bis zu den deutschen Kaisern, deren Kaiserkrone auch das Kreuz enthielt, ebenso der ‚Reichsapfel‘ als Symbol des umfassenden Herrschaftsbereichs.
Erst in folgenden Jahrhunderten wurde auf den Kreuzen auch der Körper des leidenden und sterbenden Jesus abgebildet. Aus der Zeit der Romanik kennen wir den österlich mit goldener Krone gekrönten Jesus. Ikonen der Ostkirche zeigen den Überwinder aller menschlichen Grenzen im überirdischen Glanz.
Mit der Gotik rücken die menschlich-realistischen Darstellungen des Gekreuzigten in den Vordergrund. Sie sind Ausdruck des andächtigen und dankbaren Staunens darüber, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist und die Tiefen des menschlichen Leids auf sich genommen hat. Diesem Gott konnte man sich angesichts eigenen Leids besonders nahe fühlen.
Auch Martin Luther stellte das Kreuz in die Mitte seines theologischen Denkens. Es wurde für den reformatorischen Glauben das Symbol der durch Jesu Tod geschenkten Befreiung von der Macht der Sünde und des Todes. Der besondere Akzent lag nun darauf, dass dieses Geschenk ohne Vorbedingungen und besondere Vorleistungen jedem Menschen zugänglich ist. An die Stelle von Heiligenbildern und –statuen auf Altären traten in evangelischen Kirchen Bilder von Jesu Kreuzigung, oft auch mit Personen unter dem Kreuz, um so das ihnen durch Jesu Tod geschenkte Heil zu zeigen.
Auch viele zeitgenössische Künstler haben sich mit der Kreuzesthematik auseinandergesetzt. Sie zeigen das Kreuz und den Gekreuzigten vor allem als Bilder der in unserer Welt zu Unrecht Leidenden, Gequälten und ihrer Würde Beraubten.
Im Verlauf der abendländischen Geschichte hat das Kreuzsymbol also ganz unterschiedliche Deutungen des christlichen Glaubens zum Ausdruck gebracht: vom Zeichen des Sieges über den Tod zum Symbol der Mächtigen; vom Zeichen der Erlösung durch Jesu Leiden und Sterben zur Anklage von gegenwärtiger menschenverachtenden Gewalt; vom wertvollen Schmuck zum Hinweiszeichen auf das abendländische Werteverständnis mit der Verpflichtung, Recht und Würde allen Lebens zu achten; vom Zeichen der Überwindung aller menschlichen Grenzen in Jesu Leben, Wirken, Sterben und Auferstehen zu den Grabkreuzen als Symbol der Auferstehungshoffnung.
Für was könnte dieses Zentralsymbol des christlichen Glaubens heute stehen? Inwiefern können mit ihm zentrale Botschaften des christlichen Glaubens zugänglich werden? Diese Fragen weisen uns zu den religionspädagogischen Überlegungen.
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