Was bedeutet das für die Erzieherin?
Die eigene christliche Position kann in Abgrenzung vom ersten Modell keine fest zementierte bzw. bloß übernommene sein. Es geht vielmehr um eine Position in Bewegung, in Auseinandersetzung mit anderen. Auseinandersetzung mit christlichem Glauben heißt dann für die Erziehenden, ihn als Überzeugung, Standpunkt näher kennenzulernen durch Erkundung, wie sich christlicher Glaube in Beziehung zu anderen Religionen und religiösen Strömungen verhält. In solchen Entdeckungen und Nahtstellen zum je anderen hin wird christlicher Glaube nicht als starr und unveränderlicher, sondern als einer in Bewegung zugänglich. Worin unterscheiden sich Bibel und Koran? Inwiefern lesen Christen die Bibel anders als die Zeugen Jehovas? Wie steht christlicher Glaube zum Einfluß der Gestirne auf den Menschen? Fragen nach dem christlichen Glauben können unter solchen Aspekten wieder spannend werden, es zwingt zu eigener Auseinandersetzung, läßt ein Gespür entwickeln für die Glaubwürdigkeit von Argumenten. Und es werden sich auch Kriterien entwickeln, in denen sich das eigene Profil des christlichen Glaubens ganz besonders zeigt: Z.B. erlebt der Mensch sein Leben als ein Geschenk, voraussetzungslos, ohne es zuerst verdienen zu müssen? Wird die Freiheit des individuellen Gewissens, die Unmittelbarkeit jedes einzelnen Individuums zu Gott geachtet? Dürfen Rätsel des Lebens, etwa die Frage nach dem Bösen in der Welt, auch offen bleiben? Wird der einzelne in der Verantwortung gegenüber der umfassenderen Gemeinschaft allen Lebens gerufen? Solche sich entwickelnden Kriterien können die Erkundungen in der christlichen Tradition in der Begegnung mit anderen Traditionen strukturieren – kritisch nach beiden Seiten hin.