Steckbrief: Orthodoxes Christentum

Von den christlichen Konfessionen sind in Deutschland weithin nur die katholische und evangelische bekannt. Dass es weltweit über 100 Millionen orthodoxe Christen gibt- v.a. in Süd- und Südosteuropa, rückt für viele erst ins Blickfeld, wenn Eltern aus Griechenland und dem ehemaligen Jugoslawien ihre Kinder in der Tageseinrichtung anmelden.

 

Orthodox (griechisch: orthos = richtig; dokeo = glauben und bekennen) meint den Glauben, der im rechten Lobpreis Gottes geschieht, so wie er im kirchlichen, gottesdienstlichen Leben geschieht.

 

Geschichtliches

 

Zur Trennung zwischen der römisch-katholischen und den griechisch-orthodoxen Kirchen kam es Anfang des zweiten Jahrtausends in der Folge von theologischen Lehrstreitigkeiten und politischen Auseinandersetzungen. Der Gegensatz wuchs mit der zunehmenden Bedeutung des Papsttums als Leitung der römisch-katholischen Kirche und auch mit den Verwüstungen, die das christliche Kreuzfahrerheer beim vierten Kreuzzug bei den orthodoxen Christen anrichtete. Seit vielen Jahren gibt es Gespräche aller drei Konfessionen mit dem Ziel, Trennendes zu überwinden.

Die eine orthodoxe Kirche, deren Einheit der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel repräsentiert, erscheint in selbstständigen Kirchen, die untereinander Glaubens- und Gottesdienstgemeinschaft und auch dasselbe Kirchenrecht pflegen.

 

Glaubenspraxis

 

Die Überlieferung des Glaubens geschah und geschieht weniger in den theologischen Lehren und deren Weiterentwicklung als im gottesdienstlichen Leben, auf der Basis des allen christlichen Kirchen gemeinsamen Glaubensbekenntnisses. „Katholisch“ wird in diesem Zusammenhang nicht als Konfessionsbezeichnung, sondern als die umfassende Allgemeinheit und Fülle des Glaubens an den dreieinigen Gott verstanden. In der Bewahrung der Glaubenspraxis haben die vielen Klöster große Bedeutung. Aus ihnen gehen die Bischöfe hervor, während Priester verheiratet sein dürfen, sofern die Eheschließung vor der Priesterweihe erfolgte.

 

Im Gottesdienst wird das Geheimnis des Glaubens gefeiert, das unsere Verstehensmöglichkeiten übersteigt. Das zeigt schon die Gestaltung des Kirchenraums. Er ist in verschiedene Zonen unterteilt (äußerer Vorraum = Exonarthex), innerer Vorraum = Narthex, Kirchenschiff, Altarraum), und der Altarraum ist durch eine Wand mit vielen Heiligen-Ikonen (= Ikonostase) vom Raum der Gemeinde getrennt. Auch das verdeutlicht die Intention des Gottesdienstes, das göttliche Geheimnis zu feiern.

 

Das Wort Gottes ertönt in einer Fülle von Gesängen und Gebeten, dabei haben die orthodoxen Kirchen die Gottesdienstordnung der frühen Christenheit am genauesten bewahrt. Der Gottesdienst ist auch reich an symbolischen Elementen. Beim Betreten der Kirche werden Kerzen entzündet und die Ikonen begrüßt. Kommen und Gehen während des Gottesdienstes wird dabei nicht als störend empfunden, aber die Hände auf dem Rücken zu halten wird als ein Zeichen grober Geringschätzung gedeutet.

 

Bei der Eucharistiefeier – orthodoxe Christen gehen in der Regel nur an den hohen Feiertagen zur Kommunion, und es wird vorher geistliche Vorbereitung durch Fasten, Gebet und Beichte erwartet – wird immer Brot und Wein ausgeteilt. Das Brot wird in den Kelch mit dem Wein gelegt und dann mit einem kleinen Löffel ausgeteilt. Mit Christen anderer Konfessionen besteht allerdings keine Abendmahlsgemeinschaft. Sie können aber durchaus das gesegnete Brot, das bei der Kommunion übrig blieb und nach dem Gottesdienst verteilt wird (Antidoron), in Empfang nehmen.

 

Große Bedeutung in der orthodoxen Frömmigkeit haben die Ikonen (eikon = Bild). Sie haben ihren Platz in den Kirchen wie in den Andachtsecken der Wohnungen. Auf Holztafeln sind Christus, die Gottesmutter, Heilige auf Goldgrund gemalt – die Herstellung von Ikonen unterliegt genauen Bestimmungen. Auf den ersten Blick hat es den Anschein, als würden die Ikonen verehrt, wenn orthodoxe Christen sich vor ihnen bekreuzigen und sie küssen. Aber diese Ehrenbezeigungen gelten nicht dem Bild selbst, sondern den Personen, auf die sie weisen. Ikonen sind so wie Fenster, die zur himmlischen Wirklichkeit hin öffnen und die Menschen mit Christus und den Heiligen verbinden.

 

Feste

 

Das gottesdienstliche Leben des Kirchenjahres mit seinen festlichen Höhepunkten prägt auch das Privatleben der Gläubigen. Die Festzeiten, v.a. Ostern, aber auch Weihnachten, das Fest der Apostel Petrus und Paulus (29. Juni) und der Gedenktag des Entschlafens der Gottesmutter (15. August – eine Himmelfahrt Mariens lehren die orthodoxen Kirchen nicht) werden durch Fastenzeiten vorbereitet.

 

Ostern ist das bedeutendste Fest. Manchmal unterscheidet sich das Datum von unserem Ostertermin und es wird erst am Sonntag nach dem zweiten Frühlingsvollmond gefeiert. Zum österlichen Brauchtum gehören auch Ostereier (v.a. rote), Osternester und Ostergebäck.

 

Weihnachten wird wie bei uns am 25. Dezember gefeiert. Wegen unterschiedlicher Kalenderregelungen fällt dieser Tag aber (v.a. in der russisch-orthodoxen Kirche) auf den 7. Januar.

 

Das Fest des hl. Wassilius ist der 1. Januar. Am Tag vorher ziehen die Kinder singend von Haus zu Haus und werden beschenkt.

 

Der Taufe Jesu wird am 6. Januar gedacht, einem der höchsten kirchlichen Feiertage. Wohnräume werden an diesem Tag mit hl. Wasser geweiht.

 

Glaube im Lebenslauf

 

Bei der Taufe ist bemerkenswert, dass der Säugling (Taufen von Erwachsenen sind selten) dreimal ganz untergetaucht wird – der Bezug zur Taufe Jesu im Jordan wird so ganz deutlich. Mit der Taufe erfolgt die Salbung und dann oder kurz danach wird auch dem Säugling erstmals die Eucharistie gereicht. Auch später bringen Eltern oft ihre kleinen Kinder zur Kommunion. Die westliche Praxis der Firmung oder Kommunion ist unbekannt. Die Taufe wird in der Regel als großes Familienfest gefeiert, und das Patenamt wird sehr ernst genommen. Taufpaten können aber nur orthodoxe Christen sein.

 

Je nach den örtlichen Traditionen wird entweder der Geburtstag oder der orthodoxe Namenstag gefeiert.

 

Die Ehe ist ein Sakrament, und eine orthodoxe Trauung kann nur von einem orthodoxen Geistlichen vollzogen werden, wobei aber – wie bei der Taufe – ein nichtorthodoxer Geistlicher am Schluss des Gottesdienstes ein Gebet, eine Bibellesung oder auch eine Predigt anschließen kann. Trauungen zwischen orthodoxen und nichtorthodoxen Christen sind eigentlich nicht zulässig, aber nach Einzelfallregelung möglich.

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