Buddhismus
Steckbrief Buddhismus
In Indien selbst, wo der Religionsstifter Siddharta Gautama wirkte, hat der Buddhismus kaum Anhänger gewonnen, um so mehr aber in anderen östlichen Ländern. Als Lebensphilosophie, die ohne Beziehung zu Gott als einer Person und einem Gegenüber auskommt, übt sie auch auf Menschen unseres Kulturkreises nach wie vor große Anziehungskraft aus. Am Buddhismus lässt sich aber auch gut beobachten, wie sich philosophische Lehre mit Elementen volkstümlicher asiatischer Religiosität verbinden konnte. Etwa 250 Millionen rechnen sich dem Buddhismus zu.
Der Name bezieht sich auf Buddha, d.h. „der Erwachte“. So nannte sich Siddharta Gautama nach dem Erlebnis seiner Erleuchtung, seines „Erwachens“, das ihn auf den Weg zu einer neuen Religion führte. Im Unterschied zum Hinduismus, in dessen religiöser Vorstellungswelt auch der Buddhismus viele Wurzeln hat, begegnet uns hier wieder ein Religionsstifter.
Im Grenzgebiet zwischen Indien und Nepal wurde im 5. Jahrhundert v. Chr. Siddharta Gautama als Sohn eines Stammesfürsten geboren. Er verbrachte eine unbeschwerte Kindheit und Jugendzeit, wurde – wie es dort so üblich war – schon in jungen Jahren, mit 16, verheiratet. Als 13 Jahre später sein Sohn zur Welt kam, nahm er dieses Ereignis zum Anlass, Haus und Familie zu verlassen und ein neues Leben als Asket zu beginnen.
Als Grund dafür gibt uns die Überlieferung vier Erlebnisse an, die sog. vier Ausfahrten, bei denen der Prinz Siddharta, der zu Hause von allen negativen Erfahrungen ferngehalten wurde, in anderen Menschen dem Alter, der Krankheit, dem Tod und dem inneren Seelenfrieden begegnet. Zuerst ist es ein Greis, bei dem er sich mit dem Ereignis des Alterns konfrontiert sieht und dann bestürzt nach Hause zurückkehrt. Dann begegnen ihm ein Kranker, dann ein Leichenzug und schließlich ein Bettelmönch, der durch seine heitere Gelassenheit in Siddharta den Wunsch weckt, von ihm zu lernen und sich von der Welt abzuwenden.
Sechs Jahre lang lebt er als Einsiedler in äußerst strenger Askese. Aber sie führt ihn nicht zur inneren Zufriedenheit, und so gibt er sie wieder auf. Erst intensive Meditationen unter einem Feigenbaum bringen die entscheidende Wende: Die Erkenntnis der wahren Natur aller Dinge leuchtet in ihm auf – jetzt ist er der Erwachte, Buddha. Diese Erfahrung führt ihn über die Traditionen des Hinduismus hinaus, sein „Rad der Lehre“ setzt sich in Gang.
In die überlieferten Ordnungen des Hinduismus greift Buddha kaum ein, Kastenordnung und Götterverehrung werden nicht abgelehnt. Aber die Lehre von den Wiedergeburten wird in neuer Weise ausgelegt: Im Zentrum steht die Erkenntnis, dass alles Leben Leiden ist. Dessen Ursachen sind Durst nach Leben, Durst nach Begierden, Durst nach Werden und Durst nach Aufhören des Werdens. Erst wenn dieser Durst überwunden ist, wenn es keinerlei Begehren nach Sinnesfreuden mehr gibt, kann auch das Leiden aufhören. Solange aber der Mensch noch am Leben hängt, wird der Kreislauf seiner Wiedergeburten und damit das Leiden weitergehen.
Wie kann dieser Lebensdurst überwunden werden? Es gilt zunächst die Ursachen des Leidens klar zu erkennen. Sodann ist eine auf Bescheidenheit und Verzicht gerichtete Denkweise einzuüben. Nutzlose Reden, Lügen und Verleumdungen sind zu vermeiden, anderen darf kein Schaden zugefügt werden. Weiterhin gehört die Meditation dazu. Sie hat das Ziel, den Geist von störenden Einflüssen freizuhalten. Dazu gehört auch die rechte Achtsamkeit, das genaue Beobachten der eigenen Gefühle, Gedanken und Verrichtungen. Man lässt sie geschehen, bis sie von selbst vergehen, so wie sie kamen. Und sind sie hartnäckig, werden sie mit ihrem Gegenteil, etwa Gefühle des Neids mit solchen des Wohlergehens usw. begleitet. So wird das Ziel der Versenkung zu erreichen versucht, in der einem Erleuchtung zuteil wird und alle Wiedergeburten und Leiden enden können.
Hinter diesen Anweisungen steht eine Sichtweise des Menschen, die ein Ichbewusstsein, die Vorstellungen von einer eigenen Persönlichkeit ablehnt. All das sei nur Illusion. Ein Individuum sei nicht mehr als ein Haufen von sich verändernden Bestandteilen der Empfindungen, der Wahrnehmungen, des Bewusstseins, ohne inneren Zusammenhang.
Diesen neuen Weg galt es in der Gemeinschaft von Gleichgesinnten (= Sangha) zu gehen. So entstanden Gemeinschaften von Bettelmönchen, deren Ordensvorschriften eigenes Arbeiten und Verdienen verboten, um körperliche Empfindungen besser unterdrücken und sinnliches Wahrnehmen gering schätzen zu können. Frauengemeinschaften kamen erst später dazu. Daneben waren auch Laien bedeutsam, die mit dieser Lehre sympathisierten, ohne ihre weltlichen Berufe aufzugeben. Sie trugen zum Lebensunterhalt der Mönche bei und gewannen dadurch positives Karma (vgl. Steckbrief Hinduismus).
Nach Buddhas Tod wurden seine Lehren gesammelt – und es entstanden unterschiedliche Lehrrichtungen.
· Eine konservative Richtung, der „Weg der Alten“ oder „das kleine Fahrzeug“ hielten streng an den überlieferten Ordensregeln fest.
· Mit mancherlei Veränderungen und Erweiterungen des „großen Fahrzeugs“ wurde die neue Religion für weite Schichten der Bevölkerung und auch für nicht philosophisch Geschulte und nicht zu solch tiefer Meditation Fähige zugänglich.
- Die Person des Buddha wurde vergöttlicht. Der irdische Buddha wurde als irdische Erscheinung eines überweltlichen, kosmischen, alles umfassenden Buddha verstanden. Damit war auch der Weg zur religiösen Verehrung des Buddha frei, der gegenüber die Lehre des Buddha in den Hintergrund rückte. Während die Mönche sich weiterhin an der Lehre des Buddha orientierten, wurde für die Laien die Buddha-Verehrung wichtig. Buddha-Statuen wurden errichtet und in Tempeln verehrt, Fußspuren des Buddha wurden zu heiligen Orten, irdische Überreste des Buddha als Reliquien gehütet.
- Und dieser umfassende Buddha hat sich nicht nur in einem irdischen Wesen verwirklicht, sondern durch die Zeiten hindurch in vielen. Die Gestalt des irdischen Buddhas wurde von den sog, Bodhisatvas umgeben. Das sind Gestalten, die bereits „Erwachte“ oder nahe am „Erwachen“ sind und damit nahe am Eingehen in die absolute Leere des Nirwana. In ihrem großen Mitleid mit ihren Mitmenschen aber verzichten sie auf ihr Ziel, nehmen neue Wiedergeburten in Kauf, um dafür anderen auf dem Weg zur Vollkommenheit zu helfen. Sie nahmen gewissermaßen die Rolle von „Nothelfern“ an, an die sich die Menschen auch in ganz alltäglichen Sorgen und Nöten wenden konnten, mit der Bitte um Schutz vor Räubern, Feuer, Sturm usw. Der Himmel der Hindu-Götter wurde so durch den Himmel der Buddhas und Bodhisatvas ersetzt.
- Auch Vorstellungen von einem Paradies entstanden. Es liegt zwischen der Sphäre des kosmischen Buddha und der Menschenwelt. Gläubige können in es hinein wiedergeboren werden, gewissermaßen einer Zwischenstation auf dem Weg zum Verlöschen im Nirwana.
- Spannungen und Widersprüche zwischen Lehre und Verehrung wurden ertragen: Bitten an die Bodhisatva-Nothelfer sind ja gerade nicht von der Überwindung des Lebensdursts bestimmt, sondern von ganz konkreten Lebenswünschen. Und während nach der Lehre Buddha in der Folge seiner Erleuchtung ins Nirwana eingegangen ist, wurde er als lebendig und wirksam verehrt.
Während der Buddhismus in Indien selbst kaum Fuß fassen konnte, breitete er sich in den umliegenden Ländern (Sri Lanka, Burma, Thailand, Laos, Kambodscha, Tibet, China, Korea, Japan) rasch aus. Das Prinzip der Gewaltlosigkeit kam bei den diktatorisch Herrschenden gut an. Buddhistische Mönche wurden als hohe politische Ratgeber geschätzt.
· Die Richtung der Yogacaras legte das Schwergewicht auf die Meditationspraxis. Durch sie galt es die ganze Außenwelt als bloßen Schein, ja nur als Traum zu erkennen. Ekstatische Übungen führten bis zu Trance-Zuständen. Über China führte dieser Weg nach Japan. Mitglieder der militärischen Kaste sahen darin eine Hilfe, Todesfurcht zu überwinden.
Im sog. Zen-Buddhismus wurde die Lehre unbedeutend. Durch das ganz persönliche Lernen mit einem erleuchteten Meister und mit ganz praktischen Übungen sollte die Buddha-Wahrheit ganz unmittelbar auf den Schüler übergehen.
· In Tibet verbanden sich Mandala-Meditationspraktiken mit geheimnisvollen Riten. Bisherige Vorstellungen von Göttern und Geistern wurden in den Buddhismus integriert. Und die Lehre von der Wiederverkörperung des Buddha fand eine eigenständige Entfaltung: Nach dem Tode des Dalai Lama wird dessen Wiederverkörperung mit Hilfe von Träumen, Visionen und Orakeln in einem Kind gesucht.
Vielerorts gehört es zum Leben eines männlichen buddhistischen Jugendlichen, einige Monate in einem buddhistischen Kloster zu verbringen. Wenn dann einer für immer Mönch wird, ist das eine große Ehre für den Sohn wie für seine Eltern. Um vier Uhr beginnt im Kloster der Tag mit der Andacht vor einem Buddha-Altar. Kerzen und Räucherstäbchen werden entzündet, es wird aus den heiligen Schriften vorgelesen und meditiert. Vormittags geschieht der Bettelgang, der mit dem Mittagessen endet. Textstudien und Unterweisungen füllen den Nachmittag, der dann wieder mit der Andacht vor dem Altar in der Zelle endet.
Auch im alltäglichen Leben werden Buddha-Statuen auf Hausaltären verehrt, mit Früchten und Reis und mit Räucherstäbchen. Bei Besuchen in den Tempeln werden den Priestern Opfergaben übergeben, Blumen, Nahrungsmittel, Kerzen bzw. Geld. Mit Verneigen oder Knien vor dem Bild wird dessen Verehrung ausgedrückt.
Wallfahrten führen v.a. zu vier Stätten in Indien, die mit dem Leben Buddhas in Verbindung stehen: seinem Geburtsort, dem Ort seiner ersten Predigt, dem Ort seiner Einäscherung bzw. seines Verlöschens. An erster Stelle der Wallfahrtsorte aber steht der Ort seiner Erleuchtung.
Die Feste des Buddhismus finden immer an Vollmondtagen statt. Am wichtigsten sind die Feste, die den Höhepunkten im Leben Buddhas geweiht sind, im Februar seinem Verlöschen, im Mai seiner Geburt und im Dezember seiner Erleuchtung. Sie sind von Erinnerungen an Buddhas Leben und seine Lehre bestimmt. Dazu kommen noch fröhliche Neujahrsfeiern, Feste, die das Gedenken herausragender Persönlichkeiten zum Inhalt haben und mancherlei regionale Feste.