Mit anderen leben und glauben
Zusammen mit anderen leben und glauben:
Die Taufe als Zeichen der Zugehörigkeit zur Gemeinde
1. Meinungen und Fragen
- Mit der Taufe gehört unser Kind zur Gemeinschaft aller Christen dazu.
- Warum muss man zur Kirche gehören, um das Kind taufen zu lassen?
- Eltern werden mit dem ihnen abverlangten Taufversprechen, ihr Kind christlich zu erziehen, für die Kirche geködert.
- Wir lassen unser Kind taufen, denn es soll ja später einen Platz im kirchlichen Kindergarten bekommen und sich vom
Religionsunterricht der Schule nicht ausgeschlossen fühlen!
2. Theologische Gesichtspunkte
In der Apostelgeschichte des Neuen Testaments wird das Taufen in einem Atemzug genannt mit dem Wachstum der Gemeinde. Wenn in der Taufe zugespitzt erfahren wird, was Glauben heißt, dann gehört auch die Gemeinschaft der Glaubenden dazu. In der frühen Kirche hatten Glaubensbekenntnisse ihren Ort in der Taufe, und noch heute hat es im Taufgottesdienst besondere Bedeutung. Der Täufling bzw. Eltern und Paten stimmen mit dem Glaubensbekenntnis ein in den gemeinsamen Glauben. Dass man mit der Taufe zur Kirche gehört, ist im allgemeinen Bewusstsein deutlich verankert. Eltern bringen ihr Kind zur Kirche, es findet ein Gottesdienst statt, vielfach werden Kinder im sonntäglichen Gemeindegottesdienst getauft. Das stimmt überein mit der kirchenrechtlichen Sichtweise, wonach mit der Taufe die Kirchenmitgliedschaft begründet wird. In den Kirchenordnungen sind Teilnahme am Abendmahl, Konfirmation, Bekleidung kirchlicher Ämter von der Taufe abhängig. Die Taufe ist auch ein Band zwischen den Kirchen, sie wird wechselseitig anerkannt. Wer die Konfession wechselt, wird nicht noch einmal getauft. Durch die Taufe wird man also hineingestellt in die weltumspannende Christenheit.
Wie aber sieht es mit dieser Kirchenmitgliedschaft konkret aus? Das Versprechen der Konfirmanden, sich zu ihrer Kirche zu halten, trägt erfahrungsgemäß nicht weit, und Entsprechendes gilt vom Taufversprechen der Eltern und Paten. Auch hier stoßen wir wieder auf das Problem zwischen Erwachsenen- und Kindertaufe. Bei der Taufe aufgrund eigener Entscheidung ist die Verbindung mit der Gemeinde viel eher gegeben als bei der Praxis der Kindertaufe. Aber bekommt die Taufe mit der verbundenen Zugehörigkeitsverpflichtung zur Kirchengemeinde nicht etwas Forderndes, Gesetzliches, Enges? Und wo sind die Maßstäbe dafür, wie solche Zugehörigkeit angemessen Gestalt gewinnen soll?
Die Taufe hat auch noch einen anderen Akzent: es ist ein individuelles Geschehen an einzelnen Menschen, an einer einzelnen Familie. Auch das hat die Taufgottesdienste geprägt. Vielfach sind es Gottesdienste der Tauffamilie, ohne Gemeinde. Früher waren Haus- und Krankenhaustaufen oft die Regel. Das Taufgeschehen hat also auch eine sehr individualistische Note, es geht um einzelne Menschen, um ihr persönliches Geschick. Seit alters her werden besondere Einschnitte im Lebenslauf, Übergänge in eine neue Lebensphase mit religiösen Handlungen, stützenden Ritualen begleitet.
Die Geburt eines Kindes, besonders des ersten, bringt gravierende Veränderungen im Leben der Eltern. Das Zusammenleben muss neu geordnet werden, die Verantwortung für das Kind gilt es gemeinsam wahrzunehmen. Die Taufe ihres Kindes kann den Eltern ein Zeichen dafür sein, dass sie auch in ihren neuen Herausforderungen von der alles umgreifenden Beziehung zu Gott getragen sind. Kirche repräsentiert in diesem Sinne die große Gemeinschaft, die in der Tauffeier der Familie religiöse Stützung gewährt.
Nicht wesentlich anders verhält es sich mit den Taufen, bei denen die Kinder das Säuglingsalter schon hinter sich haben. Der Taufwunsch wird hier im Zusammenhang der "Generationenvorsorge" erklärt: Eltern möchten dem Kind etwas mitgeben, das ihnen die religiöse Dimension offen hält. Zugehörigkeit zur christlichen Gemeinde wird also auch hier in einem sehr weiten Sinn verstanden, der oft in Spannung steht zu den Vorstellungen von einer Beteiligung am Leben der Kirchengemeinde.
Ä Welchen Charakter - zwischen aktiver Teilnahme am Gemeindeleben und dem "Offenhalten der religiösen Dimension" - hat Ihrer Meinung nach die Kirchenmitgliedschaft, die durch die Taufe begründet wird?
Ä Wo beginnt Ihrer Meinung nach eine enge Gesetzlichkeit im Blick auf eine geforderte Teilnahme am kirchlichen Leben?
Wo droht das Individuum seinen Bezug zur größeren Gemeinschaft der Glaubenden zu verlieren?
Ä Welche dieser Gesichtspunkte möchten Sie mit Ihren theologischen Gesprächspartnerinnen und -partnern weiter bedenken?
3. Problemanzeige und Lösungsansatz
Wie verhält sich der Gemeinschafts- und Gemeindebezug des Glaubens und der Taufe zu der besonderen Zuwendung zu dem einzelnen Menschen und seiner Stützung angesichts einer besonderen lebensgeschichtlichen Situation? Wie können wir das Besondere der Taufe in der Spannung zwischen einzelnem und Gemeinschaft verdeutlichen, die auf gesetzliche Forderungen und vordergründige Vereinnahmungen verzichtet und doch den Gemeinschaftsbezug des Glaubens angemessen berücksichtigt? Wie kann dem einzelnen ein Platz im größeren Ganzen der christlichen Gemeinde eingeräumt werden, den er selbständig in eigener Mündigkeit und Verantwortung gestalten kann?
Auch dazu geben Taufgeschichten und -symbole mancherlei Anregungen: Sie beschreiben Menschen, die in ihrer Verbundenheit mit Jesus Christus ihren je eigenen Weg mit seinen besonderen Herausforderungen vor sich haben: Jesus, die Jüngerinnen und Jünger, Lydia und in ganz besonderer Weise der Kämmerer. Sie nehmen die Taufe mit auf ihren persönlichen Weg und bleiben mit ihr zugleich verbunden in dem, was sie alle im Glauben trägt. Die Taufe gibt uns frei für den eigenen Weg und erinnert zugleich das Gemeinsame, das es festzuhalten und zu pflegen gilt.
Manche der Taufsymbole betonen die Selbständigkeit des einzelnen: der Baum, der Weg, das Haus. Aber wir bedenken, gestalten und feiern sie gemeinsam, begeben uns gemeinsam hinein in die Erfahrungen des Glaubens, und so entsteht Gemeinde. Die Taufe und ihre Symbole weisen uns auf keinen Weg der bloßen Forderungen hinsichtlich kirchlicher Mitgliedschaft. Sie haben vielmehr einladenden Charakter. Sie erinnern an das, was wir mit anderen im Glauben gemeinsam haben und was sich gemeinsam zu feiern lohnt.