Bildung als Selbstbildung von Anfang an
1. Bildung als Selbstbildung von Anfang an
Nach den Anfängen kindlicher Bildung zu fragen heißt, die frühen Bindungen zu bedenken, in denen die Kinder erstes Vertrauen in die sie umgebende Welt gewinnen. Mit ihm kann Neugierde auf die umgebende Wirklichkeit entstehen und sich am Beobachten all des Neuen, das sich vor den Kindern auftut, entwickeln. Den tragfähigen Bindungen kommt eine nicht zu überschätzende Bedeutung zu. Das gilt ganz besonders auch für die ersten Schritte zum Glauben. Christlicher Glaube, das ist primär nicht Lehre, das sind nicht Glaubenssätze und –wahrheiten, sondern es ist das Hineingenommen-Sein in die Beziehung zu Gott, die dem Leben Halt und Wurzeln gibt, Wie machen sich Kinder ihre Gottesbeziehung zu eigen? Sie nehmen Maß an den eindrücklichen Erfahrungen mit ihren ersten menschlichen Bezugspersonen und übertragen dies später auch auf die sich davon immer deutlicher unterscheidende Gottesbeziehung. Am Anfang ist beides noch ungetrennt. Eltern nehmen so auch die Rolle Gottes im Leben ihrer Kinder ein. Je mehr die Kinder dann von Gott erfahren, desto menschlicher wird dann auch die Sicht der Eltern.
Früher wurde, v.a. in kirchlichen Kreisen ziemlich ausschließlich den Müttern die Aufgabe der primären Beziehungen zugeordnet. Intensität der Bindungserlebnisse wurde zugleich als Ausschluss anderer Beziehungen verstanden, die solche Intensität einschränken könnten. Kinderbetreuung durch andere Personen sollte nicht zu früh einsetzen. Kinderbetreuung berufstätiger Mütter galt deshalb mehr als diakonische Maßnahme, als Notlösung, um unzureichende mütterliche Beziehungserfahrungen anderweitig zu kompensieren. Neuere Befunde aber weisen auf den Gewinn hin, den Kinder durch frühe Angebote unterschiedlicher Bezugspersonen haben – sofern ihnen darin liebevolle Zuwendung und Verlässlichkeit begegnet. Das verdient in den evangelischen Familienzentren die aufmerksame Beachtung aller Beteiligten.
Wechsel von Bezugspersonen, das sind für kleine Kinder immer auch Herausforderungen. Es gilt sich auf andere Personen einstellen, Vertrautes zeitweilig zurückzulassen. Gelingt es den Erwachsenen, ihn so zu gestalten, dass die Erfahrungen der Verlässlichkeit nicht bedroht sind? Differenziert und eindrücklich werden die Bedingungen dafür von der Resilienzforschung beschrieben. Manches von der Balance zwischen Vertrauen und Herausforderung lässt sich auch in biblischen Erzählungen wiederfinden. Da wird Abraham und Sara zugemutet, die Heimat zu verlassen, aber das Versprechen von Gottes begleitender Nähe stiftet Verlässlichkeit. Da bekommt Mose den sicherlich nicht ungefährlichen Auftrag, beim Pharao die Freilassung seines Volks einzufordern, und er fühlt sich diesem Auftrag zunächst überhaupt nicht gewachsen; aber Gott verspricht ihm, die nötigen Fähigkeiten zur rechten Zeit zu schenken. Evangelisches Profil lässt sich in Familienzentren zum einen als Chance beschreiben, dass sich Kinder über etliche Jahre hinweg in diesem Haus in gewohnter Umgebung zuhause fühlen können - zum anderen als die ständige Herausforderung, neuen Personen zu begegnen, mit ihnen Kontakte zu knüpfen und Beziehungen aufzubauen. Dass die für die Kinder wichtige Balance von Geborgenheit und Herausforderung gelingen möge, dafür stehen auch die biblischen Bilder - auch ein Gottesbild, zu dem neben bedingungsloser Annahme auch Zumutungen, Enttäuschungen und das Versagen von erbetenen Wohltaten gehören. Der geschützte Raum mit seinen Anreizen und auch seiner Aufforderung, eigenständig Beziehungen zu knüpfen, weist zugleich auf die Eigenständigkeit hin, in der Christen ihre Beziehung zu Gott zu gestalten haben, mit ihren je eigenen Erfahrungen von Distanz und Nähe. Konsequent vom Kind her denken, das zeichnet evangelisches Profil aus. Und da geht es von Anfang an um Erfahrungen, die das Kind mit entsprechenden Anregungen dann zu gegebener Zeit auch auf Gott übertragen kann, so dass sich daraus ein tragfähiges Gottesbild entwickeln kann.