Mit Petrus in Jerusalem

- Die Osterzeit gestalten
- Das Wechselbad der Gefühle zwischen Erwartung und Enttäuschung, Angst und Hoffnung nachempfinden
- Das Versagen des Petrus und seine Wiederannahme durch den Auferstandenen miterleben
- Sich mit dem Tod Jesu und der Trauer seiner Begleiter auseinandersetzen
- Theologisieren: Die Bedeutung des Abendmahls erahnen
- Theologisieren: Die neue, unsichtbare Lebendigkeit Jesu Christi bedenken

Der in dieser Erzählreihe gewählte Zugang setzt nicht bei theologischen Erklärungen an, sondern bei einer Person aus dem Jüngerkreis Jesu, Simon, genannt Petrus (= der Fels), und dem, was wie er das Geschehen um Tod und Auferstehung Jesu Christi erlebt. Das Erzählen von den Erfahrungen des Petrus her bietet mehrere Vorteile:

- Mit Petrus wird den Kindern eine Person angeboten, mit der sie sich gut identifizie-ren können. Sie nehmen mit seinen Augen das Geschehen wahr, erleben mit ihm Gefühle großer Erwartung, Enttäuschung, Betroffenheit, Trauer, Scham und Schuld und auch Erleichterung und neuer Freude, versuchen mit ihm das Erlebte einzuord-nen und Zusammenhänge zu verstehen.

- Die Perspektive des Petrus setzt andere Akzente als die aus vielen Passionsdarstellungen bekannten. Beim Kreuzigungsgeschehen selbst ist er nicht dabei, das erspart viele Details der grausamen Aktivitäten der Soldaten. Sein besonderes Problem ist der Verrat seines besten Freundes, und wie der damit zu Rande kommen kann. Das knüpft an das Kapitel dieses Heftes zum Thema Freundschaft an und bietet einen Erzählrahmen, in dem sich auch schon kleine Kinder gut zurechtfinden können.

- Theologische Deutungen spiegeln sich in Gedanken, die sich Petrus macht, in Er-klärungen, die er sucht. Theologische Aussagen verwandeln sich so in die Suche nach Antworten auf bedrängende Erfahrungen und bleiben so immer verbunden mit dem Prozess des Geschehens.

- Die Erzählenden können selbst entscheiden, was Petrus in der Erzählung wahrnimmt, empfindet, denkt, zu klären versucht. Sie erzählen das, was ihnen selbst an dieser Geschichte zugänglich ist und wichtig erscheint und was sie gerne den Kindern weitergeben möchten. Sie entscheiden, wie weit sie sich in die differenzierten biblischen Zusammenhänge einlassen und auch, wie viel Raum sie dieser Geschichte geben möchten.

- In kirchlichen Einrichtungen ist weithin ein österlicher Gottesdienst zur Tradition geworden, in den das Erzählen von den letzten Tagen Jesu in Jerusalem mündet. Dazu finden sich hier mancherlei Anregungen. In anderen Einrichtungen mag es eine Geschichte sein, die den Kindern verständlich macht, was es mit dem Kreuz und dem Gekreuzigten auf sich hat, den Kindern dieses Symbol des christlichen Glaubens in ein weiteres Geschehen einzuordnen hilft und auch den Zusammenhang mit dem fröhlichen Osterfest herstellt.

Welche Stationen des biblischen Geschehens sind für diese Erzählung wichtig? Was sollten die Kinder von Petrus erfahren, um seinen Weg in Jerusalem mitgehen zu können? Die hier vorgeschlagenen Erzählsequenzen müssen nicht alle umgesetzt werden, es kann auch gezielt ausgewählt werden, wobei allerdings darauf zu achten ist, dass der Zusammenhang des Geschehens für die Kinder erkennbar bleibt. Im Folgenden werden diese Sequenzen in einer Übersicht vorgestellt.

- Der Sonntag vor Ostern ist der „Palmsonntag“. Mancherorts werden Kreuze mit Palmkätzchen geschmückt. Die biblische Geschichte erzählt vom Einzug Jesu in Jerusalem, bejubelt von vielen, die ihn als den „neuen König“, einen König der Herzen begrüßen. Auf einem Esel reitend kommt Jesus in der Hauptstadt an. Wie nehmen wohl die Regierenden diesen Einzug wahr? Wittern sie gefährliche Konkurrenz und Gefährdung ihrer Machtansprüche?

- Der gemeinsame Besuch im Tempel eskaliert in einem Wutausbruch Jesu. Petrus entdeckt Züge in Jesu Verhalten, die ihm bisher eher verborgen waren. Das Bild des sanften, ‚lieben Heilands’ wandelt sich zu einem Jesus, der um der von ihm vertretenen Sache willen auch aggressiv sein kann. Was ist der Grund? Dass der Vorhof des Tempels sich von einem Ort des Gebets zu dem des Handelns und Feilschens um den Preis von Opfertieren verwandelt hat, empört Jesus und führt zum Eklat. Jesus jagt die Händler aus dem Vorhof hinaus. Wird das folgenlos bleiben?

- Eine ruhige Szene ist die Mahlfeier am Abend – ein Zeremoniell, das an diesem Abend in allen Häusern Jerusalems gefeiert wird. Dieses gemeinsame Mahl im Jüngerkreis ist der Ursprung des christlichen Sakraments der Eucharistie / des Abendmahls. Hier bietet sich die Chance, Kindern einen ersten Zugang zu dessen Verständnis zu ermöglichen. Vor allem aber kündigt Jesus hier seinen Tod an und auch, was darauf folgen wird. Die Kinder können so behutsam auf den Fortgang des Ge-schehens vorbereitet werden. In dieser Mahlfeier versichert Petrus seinem Freund Jesus noch einmal seine unverbrüchliche Verbundenheit mit ihm.

- Die Nacht verbringen die Jünger mit Jesus in einem Olivenhain, dem Garten Gethsemane. Petrus erlebt einen ängstlichen, furchtsamen Jesus, dem es vor dem Kommenden graut. Als dann die Soldaten kommen, die Jesus verhaften wollen, versucht er zuerst Jesus zu verteidigen, flieht dann aber so wie all die anderen Jünger.

- Doch dann folgt Petrus Jesus bis in den Hof des Hauses, in dem Jesus verhört wird. Als ihn dort eine Magd zu erkennen glaubt, wird ihm die tödliche Gefahr be-wusst, in der er sich befindet. Lauthals streitet er ab, irgendetwas mit diesem Jesus zu tun zu haben. Petrus flieht aus dem Hof. Als ein Hahn kräht, wird ihm bewusst, dass er das für ihn Wertvollste verraten und verleugnet hat.

- Von dem, was dann geschah, lässt er sich später von den anderen erzählen. ‚Je-sus hat den Tod auf sich genommen wie ein Opferlamm, das geschlachtet wird’, sagen sie. Den Tod Jesu am Kreuz verbindet er mit seinen eigenen Bildern: Erinnerungen an die tiefe Freundschaft mit Jesus, beglückende Erlebnisse mit ihm, verdunkelt durch den Verrat dieser Freundschaft. Ob es da für ihn noch einen Ausweg gibt? Oder ist mit Jesu Tod am Kreuz auch das Ende dieser Freundschaft besiegelt?

- Zwei Tage später erzählen drei Frauen aus dem Jüngerkreis von einer Engelser-scheinung und der Botschaft, dass Jesus lebt, aber anders als in der vertrauten irdi-schen Gestalt. Gemäß dieser Botschaft wird sich Jesus in Galiläa – also dort, wo sie die meiste gemeinsame Zeit verbracht haben – in seiner neuen, nachirdischen Ges-talt als der Auferstandene zeigen. Kann Petrus in dieser Begegnung, die er sich jetzt noch in keiner Weise vorzustellen vermag, einen Neubeginn seiner Freundschaft mit Jesus erwarten? Bangend und hoffend zieht er mit den anderen nach Galiläa.

- Die Freundinnen und Freunde Jesu begegnen dem Auferstandenen in einem visi-onären Geschehen. Seine lichtvolle Erscheinung vertreibt das Dunkel der Trauer und Verzweiflung. Der Blick geht nach vorne in die Zukunft. Die Jüngerinnen und Jünger werden beauftragt, Jesu Botschaft weiterzusagen, als seine Boten, seine ‚Apostel’. Dabei geschieht auch das für Petrus so Wichtige: Der Auferstandene bekräftigt seine Verbundenheit mit ihm, die Verleugnung dieser Freundschaft ist damit bedeutungslos, ja, im Gegenteil, Petrus wird mit ganz besonderen Aufgaben bedacht, welche die neu gewonnene Freundschaft bekräftigen. Sein Bild des Kreuzes, das er mit sich herumgetragen hat, ändert sich: es ist nun in ein neues Licht getaucht. Das Geschehene lässt sich zwar nicht auslöschen, aber er verliert alles Niederdrückende, Belas-tende. Mit einem erleichterten, fröhlichen, tatkräftig in die Zukunft blickenden Petrus endet die Geschichte.
 

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