Erzählvorschlag
Simon und Daniel sind zwei Freunde, die sich schon oft Gedanken darüber gemacht haben, wie Gott wohl die Welt erschaffen hat. Sie haben sich über das Bild des wunderbaren Paradiesgartens gefreut, das sie sich in ihren Vorstellungen lebhaft ausgemalt haben. Jetzt sitzen sie gerade in einem großen Garten unter schattigen Bäumen, essen und trinken, was der Wirt ihnen gebracht hat.
„Nachdem Gott die Welt wie einen großen, wunderbaren Garten geschaffen hat“, meint Daniel, „muss es für die beiden ersten Menschen, Adam und Eva, doch die wahre Freude gewe-sen sein, in diesem Garten zu leben!“ – „Das denke ich auch“, fügt Simon an. „Stell dir vor, du kannst alles haben, was du willst. Du kannst dir von den Bäumen die wohlschmeckendsten Früchte pflücken. Auch alle Tiere sind deine Freunde, und niemand will dir etwas Böses!“ Daniel fragt: „Aber warum ist es heute nicht mehr so? Warum gibt es so viel Streit unter den Menschen?“ Simon antwortet: „Ich erzähle dir jetzt, wie die Geschichte von den Men-schen im Paradies weitergegangen ist“.
„Adam und Eva waren sehr glücklich in dem großen Garten. Sie hatten auch gut die Worte im Ohr, die Gott ihnen gesagt hatte: ‚Diesen Garten habe ich euch gegeben, damit ihr es gut habt und auch, damit ihr gut mit ihm umgeht. Vergesst nie, dass der Garten nicht euch, son-dern mir gehört. Mit euch soll es auch allen Tieren und auch Pflanzen in dem Garten gut ge-hen. Alle sollen in diesem Garten friedlich zusammenleben. Ihr dürft alles tun, solange ihr euch an diesen Auftrag haltet; und das bedeutet: solange ihr darauf achtet, dass der Garten für alle da ist. Damit ihr das nie vergesst, ist der Baum in der Mitte des Gartens ein ganz besonderer Baum. Der gehört mir allein, und dessen Früchte dürft ihr nicht essen. Dieses Verbot soll euch immer wieder an die Regel erinnern, dass der Garten nicht euch gehört, sondern dass er für alle bestimmt ist.“
Daniel meint dazu: „Es gab ja so viele andere Bäume mit leckeren Früchten. Da konnten die beiden doch sicher auf die von diesem einen Baum verzichten. Und überhaupt, wer auf die anderen achtet, der muss auch selbst immer ein bisschen verzichten. Aber wenn genug da ist, dann ist das doch überhaupt nicht schlimm!“
„Das denken Adam und Eva zuerst auch“, erzählt Simon weiter, „aber dann geschieht etwas Eigenartiges: Immer öfter stehen die beiden vor diesem einen Baum in der Mitte des Gar-tens und betrachten genau seine Früchte. ‚Es sind wohl ganz besondere Früchte’, meint A-dam, ‚ich denke, sie sind besser und saftiger als alle anderen’. – ‚Das weißt du erst, wenn du etwas von ihnen gegessen hast’, antwortet Eva. ‚Das möchte ich doch tatsächlich wissen, ob diese Früchte anders schmecken als die vielen anderen. Aber wir sollen ja auf sie verzich-ten, damit wir nie das Verzichten verlernen!’ – ‚Also, wenn man einmal nicht verzichtet, dann verlernt man deshalb doch noch lange nicht das Verzichten’, redet Adam weiter. ‚Es wachsen ja auch mehrere Früchte an dem Baum, wir brauchen ja nur eine zum Ausprobieren!“
Daniel meint: „Und die vielen Bäume mit ihren guten Früchten waren auf einmal gar nicht mehr interessant“. – „Genau“, sagt Simon. „Und so geht die Geschichte weiter: Am Stamm dieses Baumes entdecken die beiden auf einmal ein sprechendes Tier, eine freundliche Schlange, und die meint: ‚Gott hat euch doch so viel Forschergeist und Entdeckerfreude mitgegeben’. Die beiden nicken. ‚Da passt es doch gar nicht dazu, dass er euch die Früchte dieses Baumes verbietet! Habt ihr auch richtig verstanden, was er gesagt hat?’ Eva meint: ‚Ja, doch, wir sollen nie vergessen, dass der Garten Gott gehört und es allen, die in diesem Garten leben, gut gehen soll. Dazu gehört auch, auf etwas verzichten zu können, und das sollen wir an diesem Baum üben’. Die Schlange antwortet: ‚Ihr könnt das doch auch an einem anderen Baum üben. Und ihr könnt es auch viel besser üben, wenn ihr wisst, wie die Früchte an diesem Baum schmecken!’ – ‚Aber vielleicht schmecken sie so gut, dass wir gar nicht mehr aufhören können zu essen’, meint Adam. ‚Das könnt ihr erst wissen, wenn ihr es ausprobiert habt’, sagt darauf die Schlange und lächelt die beiden freundlich an. Und so reden die drei immer weiter, und der Wunsch, nur eine einzige Frucht von diesem Baum zu essen, wird im-mer größer. „Etwas ausprobieren, das ist nie schlimm’, meint die Schlange, ‚dann weiß man viel besser, auf was man verzichtet, dann ist das Verzichten auch viel wertvoller. Bestimmt hat es Gott so gemeint!’
Und dann geschieht es plötzlich. Auf einmal hält Eva eine der verbotenen Früchte in der Hand, schaut sie zusammen mit Adam genau an, und dann beißen sie beide nacheinander hin-ein. Doch dann ist auf einmal alles in dem Garten anders als vorher. Sie fürchten sich und wissen gar nicht, wovor. Sie schützen sich mit Kleidern aus großen Blättern von den Bäumen. Aber es nützt nichts. Sie verstecken sich im Garten, sie schämen sich“.
Eine Weile sagt Simon nichts, und auch Daniel schweigt. Dann meint Daniel nachdenklich: „So ist es, wenn man etwas Verbotenes getan hat. Dann sieht alles auf einmal ganz anders aus. Ich glaube, die beiden haben ganz schön viel Angst vor Gott gehabt!“ – „Das glaube ich auch, meint Simon. „Als Gott am Abend die beiden in ihrem Versteck findet, klingt seine Stimme sehr streng: ‚Es war nur ein einziges Verbot. Warum konntet ihr euch nicht daran halten?’ Die beiden
stottern etwas von der Schlange, die sie verleitet hat und von der Neugier und Entdecker-freude und noch vieles anderes. Aber Gott schüttelt den Kopf und meint: ‚Wenn ihr mit so einem leichten Verbot nicht das Verzichten lernen konntet, muss ein anderes her. Ihr müsst jetzt dieses Paradies verlassen. Draußen wird es auch Gärten geben. Aber da müsst ihr viel arbeiten, bis die Pflanzen Früchte tragen. Ihr könnt nur das ernten, was ihr selbst gesät habt. Ihr werdet das Verzichten immer wieder neu lernen müssen, nämlich wenn andere et-was haben, das euch nicht gehört, oder wenn es ans Teilen geht“.
Daniel meint: „War Gott nur streng? Hat er ihnen nicht auch noch etwas Gutes gesagt?“ Simon antwortet: „Doch, Gott hat noch gesagt: ‚Ich will euch dabei helfen, gut miteinander auszukommen. Auch wenn ihr euch jetzt an viele Regeln halten müsst - auch an solche, die euch Mühe machen. Ihr werdet aber zugleich viel Freundschaft erleben mit Menschen und Tieren, ihr werdet euch über gute Sachen zum Essen freuen können und vieles andere auch. Doch das Verzichten und das Achten auf andere, das müsst ihr immer wieder neu lernen!“
Gesprächsimpulse
- Muss man auch verzichten können, wenn es allen gut geht?
- In der Geschichte war es ein Baum, der an den Verzicht erinnerte. Kennst du andere Verbote, mit denen man das Verzichten lernen und üben kann?
- Gerade Verbotenes übt oft eine große Anziehungskraft aus. Kannst du aus deiner ei-genen Erfahrung etwas dazu erzählen?
- Wenn man Verbotenes getan hat, geht es einem oft gar nicht gut. Kannst du auch da-von erzählen?
- Diese Geschichte ist ein Abschied vom Paradiesgarten. Kannst du dir vorstellen, wie es den beiden Menschen bei diesem
Abschied ergangen ist? Erzähle davon.
- Wir haben keinen Paradiesgarten mehr, aber dennoch einen Garten, der uns viel Freude macht. Wo kannst du mit dafür sorgen,
dass es in diesem Garten allen gut geht?
Welche Regeln sollten von allen beachtet werden?
- Obwohl wir in unserem Garten auch viel zu arbeiten haben, können wir ihn als ein Ge-schenk von Gott erleben. An was kannst
du das erkennen?