1 Mose 11
1. Mose 11: Turmbau zu Babel – Ein Turm bis zum Himmel?
Die ersten Seiten der Bibel sind dem Nachdenken über die Anfänge unserer Welt gewidmet. In mythologischen Erzählungen werden Erklärungen dafür gesucht, warum die Welt so ist, wie wir sie vorfinden. Da geht es um Träume von einem paradiesisch schönen Garten (1. Mose 2); um das Versagen der Menschen bei der Aufgabe, gesetzte Grenzen zu akzeptieren (1. Mose 3); um Konflikte, die bis zum Mord führen (1.Mose 4), um eine Flutkatastrophe und den Neuanfang nach ihr (1. Mose 7-9). Immer wieder kreisen die Geschichten um die große Frage, warum es den Menschen so schwer fällt, gegebene Grenzen zu akzeptieren, d.h. sich in der ihnen gegebenen Freiheit begrenzen zu lassen, damit das Zusammenleben gelingen kann. Das gilt für das Verbot, von den Früchten des Baums in der Mitte des Schöpfungsgartens zu essen, genauso wie für das Gebot, Wut und Aggressionen zu zügeln. Gott schenkt den Men-schen Entfaltungsmöglichkeiten, aber er verwehrt es ihnen, sie unkontrolliert auszuleben, selbst mächtig wie Gott zu sein. Denn das kann nicht gut gehen. Macht verführt zum Machtmissbrauch, zu Gewalt und Zerstörung – diese Weisheit ist in den alten Texten am Anfang der Bibel aufbewahrt.
Auch die Geschichte vom Turmbau zu Babel, die den Kreis der biblischen Urgeschichten ab-schließt, widmet sich diesem Thema. In diesem Fall geht es um den für die Menschen unzu-gänglichen Himmel. Bis in den Himmel zu kommen – das würde unüberbietbares Ansehen be-deuten, das wäre ein entscheidender Schritt zur Vergöttlichung des Menschen, genauer: der Menschen, die solch ein Vorhaben durchführen können.
Türme-Bauen bis zum Einstürzen, das ist alltägliches Geschehen auf dem Bauteppich. Expe-rimentieren heißt auch, bis an die Grenzen des Bekannten und Möglichen zu gehen und sehen, was dann geschieht. Solche Grenzen können aber auch schon auf dem Bauteppich zu gegen-seitigen Beschuldigungen und Streit führen.
Die biblische Geschichte gibt den Versuch des Turmbaus bis in den Himmel der Lächerlichkeit preis. Gottes himmlischer Wohnort ist doch noch viel, viel weiter, als dass ihn Menschen je erreichen könnten. Als die Menschen glaubten, dem Himmel schon sehr nahe zu sein, da muss sich Gott weit, weit herabbeugen, um dieses Türmchen in seiner Winzigkeit überhaupt wahrnehmen zu können. Damit ist in dieser Geschichte die Aufgabe schon vorgezeichnet, die auch den Kindern gestellt ist, nämlich sich von anschaulichen Vorstellungen vom Wohnen Gottes über uns nach und nach immer mehr zu verabschieden – zugunsten der abstrakteren Gedanken einer für uns unsichtbaren und unzugänglichen Wirklichkeit Gottes. In diesem Sinne regt die biblische Geschichte zum Nachdenken an: Wo ist eigentlich der Himmel? Wo-hin käme man, wenn man bis in den Himmel bauen könnte? Ist dort Gott? Oder ist Gott anderswo? Wo wohnt Gott?
Um solche Impulse geht es auch in dem Erzählbeispiel: