Erzählanregung
Tobias und sein Schutzengel Raffael
Ziele:
- Miterleben, wie Tobias von einem Engel begleitet, beraten und beschützt wurde
- Nachdenken, wo und in welcher Weise uns in Menschen Engel begegnen können
- Aufmerksamkeit für Wunderbares, das Menschen begegnet
Fördert:
- Vertrauen auf sichtbare und unsichtbare Begleitung
- Aufmerksamkeit auf Hilfreiches in der eigenen Umwelt
- Mut, Herausforderungen anzunehmen
Seit einigen Wochen ist es in unserem Haus viel unruhiger und geschäftiger als sonst. Ich, der Hund kann zwar nicht mithelfen, aber ich verstehe alles, was die Menschen sagen. Und deshalb habe ich auch erfahren, dass mein Herr, der junge Tobias, eine sehr weite Reise vor sich hat. Alle sind aufgeregt, vor allem die Mutter des Tobias. Sie hat große Sorgen, dass ihm auf der Reise etwas zustoßen könnte. Dass ich mit dabei bin, das ist ihr wohl noch nicht genug Schutz! Der alte Vater jammert auch, denn er ist blind und bräuchte eigentlich die Hilfe seines Sohnes. Aber er braucht auch das Geld, das er einem Verwandten geliehen hat, der jetzt ganz weit weg in einem fernen Land wohnt. Beim ihm soll Tobias das Geld wieder abholen und nach Hause bringen. Vorhin ist Tobias in die Stadt gegangen. Dort sucht er ei-nen Begleiter für die Reise, der sich gut auskennt und auf den er sich verlassen kann. Ich bin ja gespannt, wen er findet.
Ich glaube, jetzt kommen sie zurück, Tobias mit seinem Begleiter. Die Tür geht auf – aber das gibt es doch nicht, ich bin total verwirrt! Der Begleiter ist ein Engel, der Engel Raffael, der Oberste der Schutzengel! Und stellt euch vor, die Menschen erkennen ihn nicht. Sie meinen, er sei ein Mensch so wie sie auch. Er sieht tatsächlich so aus, dass man ihn gar nicht erkennen kann – aber ich habe ihn natürlich gleich erkannt, denn ich bin ja selbst kein Mensch. Alle in der Familie, Tobias und seine Eltern, sind sehr zufrieden mit der Wahl, und nun kann die Reise bald losgehen.
Jetzt sind wir schon viele Tage unterwegs. Tobias hat immer noch keine Ahnung. Aber er ist glücklich und zufrieden mit seinem Begleiter. Der strahlt ja auch so viel Ruhe und Sicherheit aus. Bald haben wir unser heutiges Ziel erreicht. Am Ufer eines großen Flusses werden wir rasten. Tobias hat schon seine Angel ausgepackt, sitzt am Ufer und wird gleich einen Fisch für das Abendessen fangen. Doch was ist das? Laut ruft er um Hilfe. Ein Fisch hat angebis-sen, aber er zieht Tobias zu sich ins Wasser. Ich belle ganz laut. Da kommt endlich unser Begleiter, und der ruft Tobias ganz genau zu, was er tun soll. Er zeigt ihm, wo er mit seinen Füßen Halt finden kann, und Tobias stemmt sich jetzt mit aller Kraft gegen den Fisch – und hat gewonnen. Ein riesengroßer Fisch liegt jetzt am Ufer. Ganz erleichtert bereitet Tobias nun das Abendessen vor.
Da gibt ihm unser Begleiter wieder einen guten Rat: ‚Nimm die Galle und die Leber heraus’, sagt er, ‚und ich zeige dir, wie man daraus eine gute Medizin machen kann, eine Medizin für die Augen!’ Der denkt ja an Tobias Vater, ist das nicht großartig? Voller Bewunderung schaut Tobias den Begleiter an. Dass es Raffael ist, merkt er aber immer noch nicht. Das ist richtig spannend.
Wieder waren wir viele Tage unterwegs, und jetzt sind wir bei guten Freunden, die auch schon lange in der Fremde wohnen. Gerade bekomme ich ein Gespräch zwischen Tobias und dem Vater der Familie mit. Beide machen sehr ernste Gesichter. Raguel, so heißt der Vater, erzählt von seiner Tochter Sara: ‚Stell dir vor’, sagt Raguel, ‚schon siebenmal hat unsere Tochter geheiratet, und jedes Mal ist der Ehemann einen Tag nach der Hochzeit gestorben. Jetzt glauben alle, dass in unserem Haus ein böser Geist herrscht. Niemand mehr will etwas mit uns zu tun haben. Tobias, du kommst doch aus der Heimat und hast einen so guten Be-gleiter dabei. Kannst du uns nicht von dieser schweren Last befreien?’ – ‚Und wie soll das gehen?’ fragt Tobias zurück. Raguel antwortet nach einer langen Pause: ‚Indem du Sara hei-ratest und alles gut wird!’ Da muss Tobias schlucken vor Schreck. Sara ist zwar sehr nett, aber er möchte nicht der nächste sein, der stirbt. Andererseits möchte er der Familie und vor allem Sara gerne helfen. Bevor er jedoch etwas sagen kann, geht die Tür auf und unser Begleiter kommt herein. Er legt Tobias die Hand auf die Schulter uns sagt mit ruhiger Stimme: ‚Gott ist mit dir, Tobias, alles wird gut!’ Und stellt euch vor, Tobias wagt es, heira-tet Sara. Und er bleibt gesund - und alle atmen erleichtert auf. Ich habe mir das schon ge-dacht, und ich habe ja auch gesehen, wie viel Tobias in den letzten Tagen mit unserem Be-gleiter gesprochen hat, wie beruhigend das für Tobias war, wie ihm das gut getan hat.
Aber wie soll es jetzt weitergehen? Ich merke, Tobias hat überhaupt keine Lust mehr, zu unserem Bekannten weiterzureisen und das Geld abzuholen. Er ist jetzt so glücklich mit seiner Sara und auch deren Eltern und möchte nicht gleich wieder weg. Da fragt er doch einfach unseren Begleiter, ob der nicht alleine das Geld abholen kann. Und der versteht so gut, dass Tobias jetzt andere Sachen im Kopf hat und ihm die weitere Reise gar nicht passt. Er versteht, dass Tobias jetzt bei Sara bleiben möchte. ‚In Ordnung’, sagt unser Begleiter, ‚ich erledige das für dich!’ Ich bleibe auch hier, denn als Engel kommt unser Begleiter ja wohl alleine zurecht. Ich möchte lieber bei Tobias und seiner neuen Familie sein.
Nach einigen Tagen ist unser Begleiter mit dem Geld wieder da, und er hat sogar den Be-kannten selbst mitgebracht – zu einem großen Fest, das nun gefeiert wird. Es ist auch das Abschiedsfest, denn wir müssen uns jetzt auch wieder auf den Heimweg machen, mit Sara und außerdem mit dem Geld und mit der Augenmedizin für den Vater. Da werden sich die Eltern des Tobias ganz bestimmt freuen.
Der Rückweg geht erstaunlich schnell, und die Freude bei der Ankunft im Elternhaus ist riesengroß. Fast bin ich ein bisschen beleidigt, dass ich nicht so ausführlich begrüßt werde wie früher, alles dreht sich um Tobias und Sara. Aber es passiert ja jetzt auch so viel Ande-res, das ich miterleben kann. Also, zuerst freuen sich alle, dass Tobias so eine liebe Frau gefunden hat, mit der sich auch die Eltern gleich gut verstehen. Und dann nimmt der Vater die Augensalbe von dem Fisch und kann nach ein paar Tagen wieder sehen.
Aber das Spannendste kommt noch! Da besprechen doch Tobias und sein Vater gerade, wie viel Geld sie unserem Begleiter wohl geben sollen. Einen Engel kann man doch gar nicht be-zahlen! Aber dass es ein Engel ist, das weiß ja Tobias immer noch nicht, obwohl er doch so viel Großartiges mit ihm erlebt hat. Und jetzt stehen sie also in der Stube, Tobias, seine Eltern, Sara und unser Begleiter und ich natürlich auch. Sie bedanken sich bei ihm und wollen ihm das Geld geben. Vor Aufregung kann ich jetzt gar nicht schnaufen. Was passiert jetzt? Der Begleiter wehrt ab und sagt: ‚Ich bin Raffael, der Oberste der Schutzengel. Gott hat mich beauftragt, Tobias zu begleiten und euch zu helfen. Gottes Segen soll auch weiter mit euch sein.’ Zuerst sind die anderen erschrocken, dann sagt Tobias: ‚Ich hätte es mir doch denken können, ich habe es doch fast geahnt!’ Endlich, endlich hat er es verstanden. Tobias will sich bei ihm ausdrücklich bedanken, aber da ist Raffael plötzlich verschwunden. Engel machen das nämlich so, wenn sie ihren Auftrag erfüllt haben.
Gesprächsanregungen:
- „Ich hätte es schon früher merken können, dass mich ein Schutzengel begleitet“, sagte Tobias immer wieder. An was hat der
dabei wohl gedacht?
- Der Schutzengel hat Tobias nicht alle Anstrengungen abgenommen. Vieles musste er selbst tun. Erinnerst du dich daran?
- Manchmal sagen die Leute: „Heute habe ich einen Schutzengel gehabt!“ Denken sie dabei an etwas Ähnliches wie in unserer
Geschichte?
- Manchmal können Menschen unsere Schutzengel sein, und manchmal ist es auch wie ein Wunder. Was fällt dir dazu ein?