Erzählvorschlag: In geschenkten Beziehungen Lähmungen überwinden (Markus 2) 

Draußen, am Rand von Kapernaum, steht ein kleines, ärmlich wirkendes Haus. Wenn Leute vorbeikommen, reden sie manchmal von dem Mann, der in diesem Haus wohnt. "Da wohnt doch der Lahme!".. "Den kennt doch schon keiner mehr!".. "Ich weiß gar nicht, wer der ist!".. "Warum der wohl so von Gott gestraft ist?".. "Der gehört ja gar nicht mehr richtig zu uns!" Und dann gehen die Leute schnell weiter und reden wieder von anderen, näher liegenden, interessanteren Dingen.

Der Lahme drinnen in dem Haus hört jedes Wort. Bei solchen Sätzen zuckt er zusammen. "Den kennt ja keiner - der gehört gar nicht mehr zu uns!" Solche Worte sind wie schmerzhafte Stiche, und sie treffen ihn tief. So ist das, wenn man nicht mehr zu den anderen dazu gehört, denkt er sich.

Am Abend besuchen ihn seine vier Freunde. Es sind die einzigen, die sich noch zu ihm halten. Viel Zeit haben sie zwar auch nicht, aber sie versorgen ihn, reden mit ihm, unterbrechen seine Einsamkeit. Aber wie sie ihm wirklich helfen können, damit er nicht so allein ist, das wissen sie nicht. Aber an einem der folgenden Abende kommen sie früher als sonst und sind ganz aufgeregt. "Jetzt wissen wir, wer dir helfen kann!" rufen sie gleich beim Hereinkommen. Und ohne auf den Lahmen zu achten, der nur müde abwinkt, fahren sie fort: "Wir haben von einem Lehrer gehört, der sich ganz besonders um die Kranken kümmert. Jesus heißt er. Stell dir vor, er hat gesagt: 'Die Gesunden brauchen den Arzt nicht, sondern die Kranken', und man sagt, dass er mit dem Arzt Gott selbst gemeint hat". "Und er hat gesagt", fährt ein anderer dazwischen: "Glücklich zu preisen sind die Mühseligen und Beladenen, denn sie werden Gott schauen! - Das passt doch genau zu dir!" Und als Letztes setzt der Vierte drauf: "Und ich habe gehört, dass dieser Rabbi morgen bei uns in Kapernaum ist!"

Gespannt warten die vier auf eine Reaktion des Lahmen, aber der winkt nur ab. "Ach, lasst mich doch in Ruhe! Mir kann auch kein noch so freundlicher Mensch mehr helfen. Der müsste schon von Gott selbst kommen. Ich danke euch, aber es hat alles keinen Sinn mehr!"
Die Freunde gehen enttäuscht weg. Aber das, was sie gesagt haben, lässt den Gelähmten nicht los. "Wenn doch was dran wäre an diesem Jesus? - Wenn der wirklich von Gott geschickt ist?" So springen seine Gedanken hin und her zwischen seiner Einsamkeit und der kleinen Hoffnung, die in ihm aufzuleuchten beginnt.

Am nächsten Abend treten die Freunde entschlossen in das Zimmer des Gelähmten. Der wird sich gepackt und auf eine Trage verfrach¬tet. Und dann geht es hinein in die Stadt. Aber je weiter sie in den Ort hinein kommen, desto dichter wird die Men-schenmenge. "Dreht doch um", sagte der Gelähmte zu seinen Freunden, "es hat doch keinen Sinn!" Aber je ängstlicher er wird, umso entschlossener sind seine Freunde. Sie bahnen sich einen Weg, lassen sich von der Menge nicht beeindrucken. Aber dann ist wirklich kein Durchkommen mehr.

Die Freunde stecken die Köpfe zusammen. Einer weist mit den Händen auf das Dach. "Was haben die bloß vor? denkt der Gelähmte" Sie tragen ihn hinter das Haus und die Treppe hinauf, die auf das flache Dach des Hauses führt. "Was soll das?" Oben se¬hen sich die Freunde um, einer findet eine Art Hacke und fängt an, den Lehmboden aufzuschlagen. "Das könnt ihr doch nicht machen!" ruft der kranke Freund. Dann geht ganz schnell. Der Lahme schwebt auf einmal durch das Loch in dem Dach, Jesus direkt vor die Füße. "Was wird jetzt bloß geschehen?"

Der unterbricht seine Rede und wendet sich ihm zu. Und der Lahme spürte in diesem Augenblick: Ja, dieser Jesus wird mir helfen! Er spürt: Jetzt wird etwas ganz Wichtiges für mich geschehen! "Deine Freunde haben sich ganz und gar darauf verlassen, dass es noch eine Botschaft von Gott gibt, die dir helfen kann", beginnt Jesus, und sieht dabei kurz noch oben zum Loch in der Decke. "Sie haben dich nicht vergeblich hierher gebracht!" Er blickt wieder ihn an: "Du meinst, dass du von den Menschen und auch von Gott getrennt bist. Du hast dich ganz und gar in deine Einsamkeit vergraben. Aber ich sage dir jetzt, dass das nicht länger so sein soll! Du gehörst zu Gott und zu seinem Volk und zu seiner Gemeinde hier, wie jeder andere auch. Was für die anderen gilt, das gilt auch für dich! Komm heraus aus dem Gefängnis deiner Einsamkeit und sei frei! Werde wieder lebendig!"

Der Lahme spürt, wie diese Worte ihn in Bewegung bringen, wie sie ihn aufrichten und stärken. Und dann sagt Jesus weiter: Zeig es den anderen! Zeige ihnen, dass du frei bist von dem, was dich bisher gebunden hatte! Steh auf, nimm dein Bett und geh!"

Und er steht auf. Er spürt festen Boden unter sich. Er ist Mensch wie die anderen auch. Er gehört zu ihnen und gehört zu Gott. Er kann das Gefängnis seiner Einsamkeit verlassen und hinein treten in die Gemeinschaft der anderen, die jetzt auch wieder seine Gemeinschaft ist.

Anregungen für das Gespräch:

- Einsamkeit kann wehtun. Hast du das auch schon erlebt?
- Der Gelähmte hatte ja vier Freunde, aber….
- Diese Freunde waren schon etwas ganz Besonderes. Was meinst du?
- In der Begegnung mit Jesus ist für den Gelähmten etwas Wichtiges geschehen. Kannst du sagen, was es wohl war?
- Was meinst du, wie jetzt das Leben des vorher Gelähmten ausgesehen hat?
 

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