Erzählvorschlag: Ausgestoßen sein und wieder dazugehören (Markus 1,40-44) - Heilung des Aussätzigen

Seit er sich erinnern kann, lebt Dan in dem Dorf am See Genezareth. Seine Arbeit hat er in den Weinbergen. Mit seinen Freunden versteht er sich gut. Mühsam und anstrengend ist es schon, Weinstock um Weinstock zu pflegen, damit die Weintrauben gut wachsen können. Um so mehr freut sich Dan auf die Pausen. Da sitzt er dann mit den anderen zusammen und sie tauschen sich Neuigkeiten aus. Auch am Abend, wenn die Arbeit getan ist, sitzt er gerne mit seinen Nachbarn zusammen.

Eines Morgens beim Waschen entdeckt Dan ein paar Flecken auf seiner Haut. Ach, die werden schon wieder vergehen, denkt er sich. Es wird ja doch wohl nichts Schlimmes sein. Aber dann erinnert er sich an einen Nachbarn, der vor ein paar Jahren an Aussatz erkrankt war. Das fing bei dem auch mit Flecken auf der Haut an. Damit er niemand ansteckte, mußte er das Dorf verlassen und durfte mit niemandem mehr zusammen kommen. Bloß das nicht, denkt Dan beunruhigt.

Bei der Arbeitspause im Weinberg, als sie sich wieder unterhalten und miteinander etwas essen und trinken, schaut ihn einer der Freunde plötzlich aufmerksam an und sagt dann zu ihm: „Du hast ja Flecken auf dem Rücken! Wenn das bloß nicht...“ Er redet nicht weiter. Aber die fröhliche Stimmung ist plötzlich vorbei. Die anderen schauen auf einmal so komisch zu ihm her. Ein paar tuscheln miteinander. Dan spürt, dass sie über ihn reden, aber er weiß nicht, wie er sich verhalten soll. Auch als die Arbeit wieder weitergeht, ist es anders als vorher. Wenn er einen anspricht, sagt der verlegen ein paar freundliche Worte und geht gleich wieder weg. Es ist ihm, als ob auf einmal eine unsichtbare Wand zwischen ihm und seinen Freunden da wäre. Er würde gerne mit ihnen bereden, was geschehen ist, aber jeder weicht ihm aus. Den Rest des Tages arbeitet er alleine in einer Reihe. Und auf dem Heimweg ruft ihm einer der Freunde zu: „Du solltest zum Arzt gehen! Du weißt ja, Aussatz ist ansteckend!“

Dass es mit ihm jetzt anders ist als vorher, das muss sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen haben. Jedenfalls sitzt von den Nachbarn heute niemand vor dem Haus. Er ist allein mit sich und seiner Angst. Für die anderen ist er wohl schon zu einem Fremden, zu einem Aussätzigen geworden. So schnell geht das also, denkt er sich.

Am nächsten Tag geht er zum Arzt. Der sagt ihm, dass es wirklich Aussatz ist und erklärt ihm, was er jetzt zu tun hat. Dann schickt er ihn gleich weg. Alleine geht Dan heim, packt ein paar Sachen zusammen und macht sich auf den Weg. Sein Ziel ist das Tal der Aussätzigen. Niemand spricht ihn an, als er sein Heimatdorf verlässt. Bekannte, die ihm entgegen kommen, weichen aus. Ja, für die anderen bin ich jetzt wie ein Gift, denkt er sich bitter. Und ich muss die anderen sogar noch vor mir warnen. Das hatte ihm der Arzt aufgetragen. Als zwei Unbekannte auf ihn zukommen, ruft er laut: „Vorsicht, unrein!“, und erschreckt laufen sie auf die Seite. Gibt es denn niemanden, denkt er sich, der vor mir und meiner Krankheit keine Angst hat? Ich kann doch noch reden! Aber ich bin jetzt unrein, schmutzig, dreckig. Mit so einem wie mir will niemand mehr etwas zu tun haben. Je länger er geht, desto größer wird seine Sehnsucht nach jemandem, der ihn wie einen Mensch behandelt.

Nach einer Weile bemerkt er vor sich eine Menschengruppe. Langsam geht er auf sie zu. Er sieht, wie jemand auf einer Trage zu einem Mann in der Mitte gebracht wird. Und der beugt sich zu dem Kranken und spricht mit ihm. Das muss dieser Jesus sein, kommt es ihm in den Sinn. Davon hatte er doch schon einmal gehört. Aufmerksam schaut er hin, wie Jesus den Kranken an seinen Schultern fasst und ihn aufrichtet. Er spürt richtig mit, wie das dem Kranken gut tut. Der hat keine Angst vor der Krankheit, denkt er sich, zu dem muss ich hin! Der muss mir helfen. Der wird mich nicht abweisen. Und er läuft auf die Gruppe zu.

„Unrein!“ ruft er laut und läuft doch weiter. Und er ruft weiter: „Jesus, du kannst mir helfen!“ Er sieht, wie Jesus die anderen hinter sich lässt und auf ihn zukommt. Da wird ihm ganz warm vor Freude. Als sie einander gegenüberstehen, sagt er ganz aufgeregt: „Jesus, wenn du willst, kannst du mir helfen!“ Und er kniet nieder, als wollte er sagen: So ernst ist es mir damit! Jesus weicht vor ihm nicht aus, wendet sich nicht ab, sondern schaut ihn an und legt ihm die Hand auf die Schultern. Und er sagt: „Du sollst zu den anderen dazugehören und nicht länger ausgestoßen sein. Du sollst wieder die Freundschaft mit den anderen erleben und genießen können! Und Gott ist dein Freund. Du sollst spüren, dass du wertvoll und wichtig bist! Und die anderen sollen das auch wissen. Du sollst rein sein!“ Jedes dieser Worte saugt Dan in sich auf wie ein Schwamm. Und er weiß, dass es so geschehen wird. „Dann werden die im Dorf keinen Bogen mehr um mich machen?“ fragt er zurück. „Nein“, sagt Jesus, „so wie ich mit dir rede, werden auch sie wieder bei dir sein. Du gehört zu ihnen dazu!“ Die unsichtbare Wand, die dich von den anderen getrennt hat, soll nicht mehr sein. Jetzt kommen auch die anderen näher, ohne Scheu vor ihm, und reden mit ihm. Es ist ihm, wie wenn seine Unreinheit, seine Krankheit von ihm abgefallen wäre. „Zeige dich den Priestern noch,“ sagt Jesus, „sie werden dir bestätigen, dass du rein bist!“ – „Ich freue mich so“, sagt Dan, „jetzt hat mein Leben noch einmal begonnen! Dass ich wieder zu den anderen gehöre, ist das größte Geschenk meines Lebens!“

Anregungen für das Gespräch:

- Zu einer Krankheit kann vieles dazugehören. Was war wohl für Dan am schlimmsten?
- Vor ansteckenden Krankheiten muss man sich schützen. Aber könnte das auch anders geschehen als bei Dan?
- Jesus hat Dan etwas ganz Besonderes geschenkt. Was meinst du, war für ihn das größte Geschenk?
- Den anderen Menschen, die dabei standen, ging einiges durch den Kopf, als Jesus ganz nahe bei Dan war. Was meinst du, was
    sie dachten?
- Jesus sagte zu Dan: Gott ist dein Freund. Was hat er wohl damit gemeint? Wie passte das zu Dans Krankheit?
 

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