Erzählvorschlag
1. Mose 33: Jakob wird verziehen – Neues kann beginnen
Viele Jahre war Jakob nicht mehr zuhause. Aber jetzt ist es bald soweit. Etliche Tage ist er schon unterwegs, mit seiner Frau, seiner Schafherde, seinen Knechten und Mägden. Und je näher er der Heimat kommt, umso genauer erinnert er sich an den einen Tag damals, als er sich vor seinem blinden Vater als sein Bruder Esau ausgab, um so vom Vater den Segen zu bekommen, der eigentlich für seinen Bruder bestimmt war. Ja, den Vater hat der damals belogen, und den Bruder hat er betrogen. Deshalb musste er Hals über Kopf fort von zu Hause, ganz weit weg. Vor der Wut seines Bruders Esau hatte er große Angst. Aber das ist ja schon so lange her. „Ich freue mich so sehr darauf, endlich wieder nach Hause zu kom-men“, sagt er zu seiner Frau Rahel. „Aber…“. Dann macht er eine Pause. „Was aber?“ fragt Rahel. Zögernd redet Jakob weiter: „Ich könnte mich noch mehr freuen, wenn ich genau wüsste, dass Esau mir nicht mehr böse ist!“ – „Aber das ist doch schon so lange her“, meint Rahel. „Ja“, sagt Jakob, „aber so wütend, wie er damals war, wer weiß? Je näher wir der Heimat kommen, desto lauter klopft mir das Herz. Was ist, wenn Esau mir nicht verziehen hat?“ – „Aber Gott hat dir doch versprochen, dass er dich wieder zurückbringt in die Hei-mat“, meint Rahel, „das hast du mir doch immer wieder erzählt!“ – „Ja schon“, sagt Jakob langsam, „aber ob das auch für Esau und seine Wut auf mich gilt?“ Er seufzt tief und geht weiter. Immer mehr erkennt Jakob von seiner Heimat wieder: den Fluss, an dem er so oft mit seinem Bruder und dem Vater war, die großen Bäume, und Jakob freut sich – und es ist ihm zugleich bang ums Herz.
Und dann melden ihm seine Knechte: „Jakob, wir sehen eine Staubwolke und in ihr Tiere und Menschen. Das könnte dein Bruder Esau sein!“ Jakob erschrickt. „In einer Staubwolke mit Tieren und vielen Menschen?“ fragt er zurück. „Kommt er, um mich zu bestrafen?“ Rahel will ihn beruhigen: „Vielleicht kommt er, um dich zu begrüßen!“ Aber Jakob hört gar nicht richtig hin. Alle seine Gedanken drehen sich um die eine Frage: Wie kann ich Esau sagen, dass es mir leid tut, was ich damals getan habe? Wie kann ich es ihm zeigen, so dass er es mir glaubt? Und dann hat er eine Idee. Er sucht einige seiner schönsten Schafe und Ziegen aus, wählt einen Knecht und sagt zu ihm: „Geh mit den Tieren voraus, auf die Staubwolke zu. Und wenn es Esau ist, dann sag zu ihm: Jakob wünscht dir Glück und schenkt dir diese Tiere als Zei-chen seiner Freundschaft.“ Dann zieht der Knecht los.
Aber immer wieder denkt Jakob: Ob Esau das versteht, ob er mein Geschenk annimmt? Ob er mir verzeiht. Und Jakob weiß auch, er muss zu Esau sagen: Esau, es tut mir leid, dass ich dich betrogen habe! Ich bitte dich um Verzeihung! Immer wieder sagt er das vor sich hin, immer wieder ein bisschen anders, und er denkt: Was wird Esau wohl darauf sagen? Und er betet zu Gott: „Mein Gott, du hast mir versprochen, mich gut nach Hause zu bringen. Hilf mir, wenn ich vor Esau stehe, dass ich die richtigen Worte finde, und dass er mich ver-steht!“
Die Stunden vergehen, und dann ist es auf einmal so weit. Jakob sieht die Tiere und Men-schen, die ihm entgegenkommen, immer deutlicher – und er erkennt Esau, seinen Bruder. Immer näher kommen sie aufeinander zu. Er sieht die Gesichter, aber er weiß noch nicht, was sie sagen. Und da löst sich Esau aus seiner Gruppe und geht mit festen Schritten auf Jakob zu, und Jakob macht es genauso. Jetzt stehen sie voreinander – da breitet Esau seine Arme aus, umarmt Jakob und drückt ihn fest an sich. „Bitte, vergibt mir!“ kann Jakob noch sagen, dann sagt Esau zu ihm: „Ich freue mich, dass du wieder da bist! Ehrlich! Du bist doch mein Bruder!“
Jakob wird es jetzt ganz leicht ums Herz. Wie ein schwerer Stein fällt die Angst von ihm ab. Und dann ziehen die beiden Brüder gemeinsam weiter, zurück zu ihren heimatlichen Zel-ten.
An diesem Tag haben sie viel zu bereden. Esau erzählt von seiner großen Wut damals, Jakob von seiner Flucht und beiden davon, wie es ihnen seither ergangen ist. Esau sagt: „Gott hat es gut mit uns gemeint! Meine Schafherden sind prächtig gediehen, und wie ich sehe, deine auch. Meine Wut auf dich ist damals schon bald verflogen, im Laufe der Zeit habe ich mich dann immer mehr auf das Wiedersehen mit dir gefreut. Und als ich von einigen Hirten hörte, dass du unterwegs nach Hause bist, da habe ich es nicht mehr ausgehalten, da musst ich dir entgegengehen und dir gleich etwas von meiner großen Herde zeigen.“ – „Und ich sah die Staubwolke und hatte zuerst Angst, es sind Reiter mit Pferden, mit denen du mich überfal-len willst!“ Beide lachen herzlich.
Am Abend gibt es ein festliches Essen. „Das soll das Zeichen unserer Versöhnung sein“, sagt Esau. „Was damals geschehen ist, das soll für immer vergessen sein!“ Und Jakob antwortet: „Jetzt bin ich wirklich wieder zuhause, jetzt bin ich wirklich wieder angekommen! Esau, ich danke dir von ganzem Herzen!“