Wie die Jesusgeschichten entstanden sind
Wie die Jesusgeschichten zu uns kamen
Ziele
- kennenlernen, welche Entwicklung die Jesusgeschichten von den mündlichen Erzählungen bis zu den heutigen Bibelbüchern nahmen
- wahrnehmen, mit welch großer Wertschätzung die Bibeltexte überliefert wurden
- sich vergewissern, wie das Gotteswort der Bibel in menschlichen Überlieferungsprozessen Gestalt gewann
Vorüberlegungen
In vielen Büchern können wir Geschichten von Jesus lesen: in dicken Bibelausgaben und in Kinderbibeln mit farbigen Bildern. Aber wie kam es, dass wir heute lesen können, was Jesus vor etwa 2000 Jahren in Palästina redete und wirkte?
In der folgenden Erzählung wird der Weg von der mündlichen Jesusüberlieferung bis zu den heutigen Bibelbüchern nachgezeichnet.
Zunächst könnten mit den Kindern Fragen gesammelt werden, z.B.
- - Wer hat die Geschichten aufgeschrieben, nachdem Jesus sie erzählt hatte? Er selbst oder andere Personen? Wann wurden sie aufgeschrieben?
- - Wer hat dafür gesorgt, dass Aufgeschriebenes nicht verloren ging?
- - Wie kamen die Geschichten von dort, von Jesus gelebt hat, zu uns nach Deutschland?
Erzählung
Es ist lange her, seit der Zeit Jesu. Damals kam er mit seinen Jüngern, d.h. mit den Männern und Frauen, mit denen er Freundschaft geschlossen hatte, am See Genezareth in die Dörfer und Städte. Er erzählte den Menschen von Gott und heilte Kranke. Zum Aufschreiben hatte damals niemand etwas dabei. Papyrus (so hieß das Papier damals) war sehr teuer, denn Blatt für Blatt wurde es aus den Blättern der Papyruspflanze gemacht. Das war mühsam und kostete viel Zeit. Die Menschen um Jesus aber waren arm, hatten kein Geld für Papyrus und Tinte. Sie hätten auch gar keinen Platz gehabt, um Aufgeschriebenes aufzubewahren, denn sie waren ja ständig unterwegs.
Was sie aber hatten, war ein sehr gutes Gedächtnis für all das, was Jesus gesagt hatte. Das war ihnen so wichtig, dass sie es für sich wiederholten, auch immer wieder mit Jesus darüber sprachen. Sie konnten sie sich auch später daran erinnern, und die Sätze Jesu blieben in den Köpfen seiner Freunde aufbewahrt.
Zu diesem Abschnitt könnte auch eine „Jesuslandschaft“ hergestellt werden:
Kinder basteln einen "Schuhkarton-Guckkasten" mit Landschaften, die sie aus Fotos von Palästina kennen gelernt haben:
Aus Pappmache werden Berge geformt, mit Tapetenkleister angemalt und mit Sand bestreut; zerknülltes Transparentpapier wird Wasser; Himmel und Horizont werden an Decke und Wände gemalt; Steine, Muscheln, Holzstecken werden nach Bedarf eingefügt.
Aus Knetgummi lassen sich Menschen und Tiere schaffen und in diese Landschaft einfügen.
So können biblische Geschichten nachgestaltet werden. Die Landschaft und die mitspielenden Personen können dabei immer wieder verändert werden.
Aber dann war diese Zeit mit Jesus zu Ende. Jesus wurde gekreuzigt und am Ostermorgen zu einem neuen und für uns unsichtbaren Leben auferweckt. Jetzt erzählten die Jünger die Geschichten von Jesus weiter, zogen von Ort zu Ort. Die Menschen hörten aufmerksam zu, aber als die Jünger in einen anderen Ort weiterziehen wollten, meinten sie: „Wie sollen wir uns das alles merken, was ihr von Jesus erzählt habt? Ihr wart mit ihm unterwegs und konntet ihn alles fragen. Aber wir hatten viel weniger Zeit, um euch zuzuhören.
In den Städten gab es zum Glück Schreiber, die gut mit Papyrus und Tinte umgehen konnten. Denen sagten die Jünger etwas von dem, was sie von Jesus wussten, ganz langsam, so dass es die Schreiber auf den Papyrus schreiben konnten. So entstanden die ersten Blätter mit Jesusgeschichten, in der einen Stadt die einen, in einer anderen Stadt wieder andere. Manche Blätter gingen wieder verloren, die meisten aber wurden sorgsam aufbewahrt.
In einer großen Stadt lebte Markus. Er hatte schon viel von Jesus gehört, war Christ geworden und hat sich taufen lassen. Er war auch Schreiber und las gerne Aufgeschriebenes. So konnte er es sich besser merken. Zu seinen Freunden sagte er: „Ich möchte am liebsten alle Geschichten von Jesus kennen, am besten so, dass ich sie auch alle nachlesen kann. Aber dazu müsste ich ja immer von Ort zu Ort fahren, um in den verschiedenen Blättern zu lesen. Ich will, dass alle Geschichten von Jesus auf einem einzigen Papierblatt zu lesen sind! Wenn ich das bei mir zuhause habe, dann kann ich immer, wenn ich Zeit dazu habe, die Geschichten von Jesus nachlesen“. „Das muss ja ein riesenlanges Papier sein“, sagten die Freunde und lachten über diese Idee des Markus. Aber der wusste ja, dass man Papier auch aufrollen kann. Er kaufte eine lange Rolle, machte sich auf den Weg von Ort zu Ort, las dort die Blätter, schrieb alle Geschichten auf seine Rolle, bis er sich sicher war, dass er keine vergessen hatte. Diese Rolle war für ihn ein kostbarer Schatz. Immer wieder las er darin.
Später hatte er noch eine Idee. Seine Geschichten waren ja noch ziemlich durcheinander aufgeschrieben, einmal von der Anfangszeit, dann wieder von Jesu Tod und dann wiederum von seinen Krankenheilungen. Deshalb brachte er alle diese Geschichten in die richtige Reihenfolge, so wie es mit den Jüngern am See Genezareth begann und dann in Jerusalem endete. So konnte er beim Lesen den Weg Jesu immer wieder in Gedanken mitgehen, von Kapernaum nach Jericho und bis in die Hauptstadt. Die anderen Christen waren von dieser wertvollen Schriftrolle begeistert. Manche liehen sie sich aus, schrieben sie auf einer neuen anderen Rolle ab. Es war gut, nicht nur eine, sondern mehrere von den Markusrollen zu haben.
In diesem Zusammenhang könnte mit den Kindern eine solche Rolle gebastelt bzw. auch beschrieben werden: Zwischen zwei Hölzchen wird ein langer Papierstreifen geklebt, der dann von beiden Seiten her aufgerollt werden kann. Auf dem Papier können die Kinder dann hebräische Schriftzeichen nachempfinden.
An einem anderen Ort wohnte Matthäus. Der war wie Markus Christ geworden und auch ein Schreiber und Leser. Matthäus hatte dasselbe getan wie Markus und auch Geschichten und Worte von Jesus gesammelt. Als der von den Rollen des Markus hörte, war er gleich neugierig und kaufte sich eine von ihnen. Ob das wohl das Gleiche war, was er und Markus gesammelt hatten? Aufmerksam las er die Rolle vom Anfang bis zum Ende. Die Reihenfolge der Geschichten gefiel ihm sehr gut, er konnte den Weg Jesu in Gedanken gut mitverfolgen. Aber dann stutzte er und murmelte vor sich hin: „Da fehlt doch eine Menge von dem, was ich gesammelt habe!“ Gleich machte sich Matthäus an die Arbeit und schrieb eine neue und viel längere Rolle, in der er die Geschichte des Markus neu aufschrieb, dabei immer wieder an der passenden Stelle das einfügte und ergänzte, was bei Markus fehlte. Jetzt gab es also zwei wertvolle Rollen, die von Markus und die von Matthäus.
In wieder einer anderen Stadt war Lukas am Werk. Ihm ging es genauso wie dem Matthäus. Er las die Markus- und die Matthäusrolle und meinte dann zu seinen Freunden: „Die schönsten Jesusgeschichten, die ich gefunden habe, die fehlen da immer noch, z.B. die vom Zöllner Zachäus, oder vom verlorenen Schaf oder vom verlorenen Sohn“. „Die müssen unbedingt noch mit dazu“, meinten die Freunde. „Und dann fehlt noch die vielleicht schönste Geschichte von allen“, fuhr er fort, „nämlich die von Jesu Geburt, von Maria und Josef auf dem Weg nach Bethlehem, von den Hirten auf dem Feld und der Botschaft des Engels.“ „Ja, die darf auf keinen Fall fehlen“, meinten die Freunde.
Als später Christusboten nach Europa und auch zu uns nach Deutschland kamen, da nahmen sie die Rollen des Markus, des Matthäus und des Lukas und noch etliche andere mit. Neue Geschichten kamen nun nicht mehr dazu, denn die Menschen in unserem Land wussten ja noch gar nichts von Jesus. Die meisten wurden auch Christen, und einige von ihnen hatten wieder eine ganz neue Idee. „Das mit den Rollen ist uns zu umständlich“, meinten sie. „Wir wollen lieber blättern. Wir wollen die Geschichten von Jesus in einem Buch aufschreiben. An jedem Sonntag soll in jeder Kirche aus diesem Buch vorgelesen werden“. Es war eine gewaltige Arbeit. In den Schulen und Klöstern waren unzählig viele Mönche bei der Arbeit. Sie übersetzten zuerst die Geschichten ins Lateinische, denn in dieser Sprache wurde im Gottesdienst gesungen und gesprochen. Dann wurde das immer wieder neu geschrieben, so oft, wie man es brauchte.
Die Mönche taten aber noch mehr: Sie verzierten jede Seite mit farbigen Figuren, auch mit Zeichnungen und Bildern zu den Geschichten auf dieser Seite. Prächtig geschmückte Bücher entstanden so. Wenn ein neues fertig war, freuten sie sich und sagten: „Das ist unsere ‚biblia’“, denn das ist das lateinische Wort für Buch.
In diesem Zusammenhang können nun oder später Initialen von den Kindern ausgemalt werden.
Heute ist alles viel einfacher: Die Bibel ist inzwischen fast alle Sprachen der Welt übersetzt worden. Mit großen Maschinen werden die Seiten gedruckt und zu Büchern gebunden. In vielen Buchläden stehen sie zum Verkauf bereit.
Eine kleine Sammlung aktueller Bibelausgaben (klassische Bibel, Kinderbibeln) kann die nur kurz angedeutete Entwicklung bis zur Gegenwart veranschaulichen.
Im Hortbereich können die drei ersten Evangelien aufgeschlagen werden, und die Kinder prüfen selbst nach, dass z.B. die Weihnachtsgeschichte bei Markus fehlt und die von den Hirten etc. nur bei Lukas zu finden ist.
Gesprächsimpulse
- Denke an deine Fragen vom Anfang: Welche Antworten hast du gefunden?
- Welchen Personen in der Geschichte hättest du gerne bei der Arbeit zusehen mögen und warum?
- Welche Fragen haben noch keine Antwort gefunden? Was sollten wir noch genauer erkunden?
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