Babuschka und die drei Könige

Nach den Weihnachtstagen blicken wir heute und auch morgen in die Welt der weihnachtlichen Legenden, in denen es um Begegnungen der Heiligen Drei Könige auf ihrer Reise nach Bethlehem geht. Es beginnt mit einer russischen Überlieferung.
Die alte Babuschka lebt zwischen Wald, Wiesen und Feldern in ihrem kleinen Haus. Dort hat sie alles, was sie zum Leben braucht: Obst und Gemüse aus ihrem Garten, Hühner und Enten, Hund und Katze und eine Kuh.

Nach angenehmen warmen Sommertagen ist der Winter ins Land gezogen. Schnee ist gefallen und Babuschka ist gerade dabei, die Wege zum Haus frei zu fegen. „Vielleicht schaut noch einer meiner Freunde und Bekannten aus dem Dorf vorbei“, denkt sie sich. Als es langsam dunkel wird, und auch Schnee und Wind unangenehm werden, kehrt sie wieder in ihr Haus zurück.

Sie horcht auf: Hat sie da nicht menschliche Stimmen gehört? Kann sie sich noch auf einen Besuch freuen? Doch als sie durch die Fensterscheiben hinausblickt, bleibt ihr vor Verwunderung der Mund offen stehen. Drei Reiter nähern sich, die sie hier in der Gegend noch nie gesehen hat. Ihr Gewand ist kostbar geschmückt und so außergewöhnlich, wie man es nur in einem fremden Land trägt.

Aber das Seltsamste ist: Die Drei tragen Kronen auf ihren Häuptern, die im letzten Lichtstrahl des Tages festlich glänzen. „Das müssen Könige sein“, durchfährt es Babuschka. „Was wollen die hier und was wollen die bei mir?“ Hinter diesen hohen Herren folgen noch einige berittene Diener. Sie ist ängstlich und neugierig zugleich. „Es sind keine Soldaten“, stellt sie beruhigt fest, denn mit Krone und Prachtgewand macht man keinen Überfall auf ein ärmliches Haus. Erneut fragt sie sich: „Was wollen die bei mir?“

Jetzt klopft es schon an der Tür. Sie öffnet und tritt vor das Haus. Der erste König spricht sie freundlich an: „Hab keine Angst, gute Frau! Wir folgen einem hellen Stern und suchen mit seiner Hilfe den Weg zu einem königlichen Kind. Wir vermuten auch, dass dieses Kind ein ganz anderer König werden wird, als wir es sonst kennen. Wir denken dabei an einen König der Gerechtigkeit und des Friedens“.
In ihrer Aufregung entfährt Babuschka der Satz: „Aber da seid ihr bei mir bestimmt falsch. Mein kleines Haus hat doch wahrlich nichts Königliches an sich!“ Der zweite König antwortet: „Wir sind ja auch bei dir noch nicht am Ziel unseres Weges. Der Stern hat uns auf einem Umweg hierher zu deinem Haus geführt. Das bedeutet für uns: Wir laden dich ein, mit uns zusammen weiter zu diesem jungen König zu reisen. Der Stern wird uns auch dabei leiten“.

Solch eine Antwort hat Babuschka überhaupt nicht erwartet. Und wieder spürt sie beides in sich: Zurückhaltung und Neugierde. „Kommt erst mal herein und wärmt euch auf“ antwortet sie. Dann können wir in Ruhe über alles reden. Gerne könnt ihr hier auch übernachten“. Doch einer der Könige antwortet: „Wir haben wenig Zeit. Wir möchten nichts versäumen. Komm einfach mit!“
Babuschka spürt, dass es ihr bei diesen freundlichen Königen gut gehen würde und sie ihr die einmalige Gelegenheit anbieten, etwas Großartiges zu erleben. Aber sie kann sich einfach nicht überwinden, diesen Schritt ins Unbekannte zu tun. „Wenn du hier bleiben möchtest, werden wir ohne dich weiterziehen“, sagen die Könige. Babuschka nickt, die Könige kehren zu ihren Pferden zurück und reiten mit ihrem Gefolge weiter.

Eigentlich wollte Babuschka in ihrem Haus weiterarbeiten, aber sie kommt nicht von ihrem Erlebnis mit diesen drei Königen los. „Wohin sie jetzt wohl weiterziehen?“ fragt sie sich. Ihre Neugierde wird immer stärker. Und immer mehr bereut sie, dass sie die Einladung zum Mitreisen ausgeschlagen hat. Es wäre ein Leichtes gewesen, einen der Pferde vor ihren Schlitten zu spannen. So hätte sie noch Vieles von diesen drei geheimnisvollen Königen erfahren können. Am nächsten Morgen verlässt sie ihr Haus und macht sich auf den Weg in die Richtung, die auch die Könige eingeschlagen hatten.

Viele Jahre später können sich die Älteren in den umliegenden Dörfern noch daran erinnern, dass die alte Babuschka überall gefragt hat, ob hier drei Könige mit ihren Pferden vorbeigekommen sind. Ob sie wohl immer noch auf der Suche nach diesen Königen ist?

Und noch viel, viel später erzählen sich die Familien in den Dörfern, wenn es Winter geworden ist, dass die alte Babuschka immer noch heimlich unterwegs ist, und dass sie auch an den Häusern in diesem Dorf vorbeigeschaut hat. Das erkennen die Kinder daran, dass am Morgen ein kleines Geschenk von ihr auf der Fensterbank liegt.

 

Vom König, der ein anderer wurde
Auch die heutige Geschichte ist eine weihnachtliche Legende. Sie erzählt von einem König, der mit den drei Weisen nach Bethlehem unterwegs war, aber alles ganz anders erlebt hat als sie.

In dem Land der drei Weisen regierte ein mächtiger König. Wegen seiner Strenge wurde er von vielen gefürchtet. Eines Tages kam er bei den Sternforschern vorbei und herrschte sie mit groben Worten an: „Ich habe gehört, dass ihr einen Besuch bei einem neugeborenen Königskind plant. Warum habe ich das erst auf Umwegen erfahren? Und verschwiegen habt ihr mir auch, dass dieses Kind später ein bedeutender Regent werden wird. Was habt ihr dazu zu sagen?“

Die Weisen antworteten verunsichert: „Mein König, zum einen müssen wir uns erst noch mehr Gewissheit verschaffen, auf welchen Regent das für uns bemerkenswerte Sternbild verweist. Zum anderen stünde Euch ein sehr anstrengender und auch gefährlicher Weg durch die Wüste bevor“. Der König erwiderte barsch: „Lasst das meine Sorge sein. Ich werde auf jeden Fall mit euch reisen. Diesen Besuch will ich mir nicht entgehen lassen“.
Die drei Forscher hatten dem nichts entgegenzusetzen, und so zogen sie mit dem König samt ein paar Dienern los. Am Anfang ging es ganz gut. Aber als der Weg mühsamer und entbehrungsreicher wurde, hielt der Herrscher nicht mit seiner Unzufriedenheit zurück: „Wie konntet ihr nur diesen schlechten Weg wählen? Und wie lange soll das noch so weitergehen?“ Die drei Weisen wagten nicht, den König an die Warnung vor der Reise zu erinnern, ertrugen die Beschimpfungen geduldig und hofften inständig, dass das ganze Vorhaben bald ein gutes Ende nehmen möge.

Endlich hatten sie den Palast des Herodes in Jerusalem erreicht. Der König ordnete an: „Ich werde zuerst dem Herrscher über Juda meine Aufwartung machen und ihm als Gastgeschenk einen wertvollen Diamant-Schmuck überreichen. Ihr habt zu warten, bis ich euch rufen lasse. Ergeben nahmen die Weisen diesen Befehl hin.

Es dauerte nicht lange, da kam der König ärgerlich zurück: „Es gibt hier gar kein Königskind. Mein teures Geschenk habe ich für nichts weggegeben“. Dass er von Herodes als Gegengabe eine wertvolle römische Goldmünze bekommen hatte, verschwieg er.

Die Sterndeuter, die inzwischen mit jüdischen Gelehrten ins Gespräch gekommen waren, stellten all ihre Hoffnung darauf, ihren König nun darauf, mit einem Besuch in Bethlehem den König zufriedenstellen zu können. Aber dort geschah das Gegenteil. Der Herrscher empörte sich über die Zumutung, einen schmutzigen Stall betreten zu sollen und trat erbost die Rückreise in seine Heimat an – gönnte sich aber einen Umweg über andere Länder mit bedeutenden Städten und prachtvollen Gebäuden.

Als er an der Grenze zu Ägypten in einer Oase rastete, traf er ein junges Paar mit ihrem kleinen Kind. Die erkannten ihn als den Besucher vor dem Stall von Bethlehem wieder, der sich geweigert hatte einzutreten. Sie berichteten von ihrer Flucht vor den Soldaten des Herodes, die ihrem Kind nach dem Leben trachteten. Und da trat das Gefürchtete auch schon ein.

Von Jerusalem ausgesandte Späher erreichten den Rastplatz und fingen an, alles zu durchsuchen. Maria gab kurzerhand ihr Kind in die Hände des überraschten Königs. Und mit dem Kind in seinen Armen geschah in ihm eine Verwandlung. Er spürte die Wärme und Lebenszuversicht, auch das große Vertrauen, mit dem das Kind ihn anblickte. Als die Soldaten sich anschickten, das kleine Kind auch bei dem König zu suchen, verbarg er es schnell in einer Satteltasche seines Kamels und befahl den Soldaten mit scharfen Worten, seine königliche Würde zu achten. Die erkannten in ihm den Besucher bei Herodes wieder, der ihm den wertvollen Diamant-Schmuck überreicht hatte, entschuldigten sich und zogen eilig ab.

Der König spürte ein großes Bedürfnis in sich, noch länger in der Nähe dieses Kindes zu bleiben. Deshalb bot er den Eltern an, sie noch eine Weile zu begleiten und für ihren Schutz zu sorgen. Das war auch gut so, denn bald wurde die Reisegruppe von einer Räubern bedrängt. „Auf das Kind ist ein hohes Lösegeld ausgesetzt“, riefen sie und befahlen: „Her mit ihm!“ Da bot ihnen der König die von Herodes erhaltene wertvolle Goldmünze an.Die war noch viel mehr wert als der erwartete Lohn, und die Räuber gingen mit der römischen Münze zufrieden ihrer Wege.

Bald war die Familie in sicherer Gegend. Der König musste sich verabschieden, so schwer es ihm auch fiel, um endgültig in sein Königreich zurückzukehren. Josef und Maria bedankten sich bei ihm herzlich, und er antwortete mit bewegter Stimme: „Ihr seid mir mit eurem Kind, das ich in meinen Händen halten durfte, ein so kostbares Geschenk geworden. In den Tagen mit euch bin ich zu einem anderen Menschen geworden. Dafür gilt euch mein Dank aus ganzem Herzen“.
 

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