Wer ist dieser Jesus? Wohin führt sein Weg?  (Matth.4,1-11; 16,18; Markus 8,27-33; 9,2-8)

 

Vorüberlegungen


Mit Cäsarea Philippi, der Stadt hoch im Norden unterhalb des Hermon-Gebirges verbinden die Evangelienberichte Ereignisse, in denen sich die Wende in Jesu Weg hin nach Jerusalem abzeichnet. Mehrfach kündigt Jesus sein Leiden an, und zugleich geht es um das Bekenntnis zu Jesus Christus als dem von Gott gesandten Künder der Frohen Botschaft, um den Sohn Gottes. Hier wiederholt sich in einer visionären Schau die göttliche Bestimmung bei Jesu Taufe: „Dies ist mein lieber Sohn“ – jetzt erleben es ausgewählte Jünger. Einiges dieser überlieferten Ereignisse wird in der Erzählung gebündelt (vor allem Petrusbekenntnis und Verklärung Christi), dazu treten das Gleichnis vom Senfkorn und erinnernd der Bericht von Jesu Versuchung in der Wüste nach dessen Taufe. Je näher Jerusalem rückt mit dem Leiden und Sterben dieses Menschen Jesus, desto intensiver werden die vorbereitenden Zeichen der Hoffnung auf das Licht, das die Menschen um Jesus begleiten und später im Ostergeschehen das Beklemmende der letzten Tage in Jerusalem endgültig überwinden wird.

 

Erzählung

Jesus und die Schar seiner Jünger haben Kapernaum und die Gegend um den See wieder verlassen und wandern diesmal auf die Stadt Cäsarea Philippi zu. Es ist die Gegend unter dem hohen Hermongebirge – die Gegend, in der auch aus zahlreichen Nebenflüssen des bergreichen Landes der Jordanfluss entsteht. Doch Simon und seine Freunde haben keinen Blick für die Schönheit dieser Gegend. Sie wirken müde und auch enttäuscht. „Ich hätte mir mehr von den letzten Tagen erwartet“, meint Simon zu Jakobus, „irgendwie geht es mir zu wenig voran mit der wunderbaren Botschaft unseres Jesus“. Jakobus stimmt dem zu und fügt an: „Was wohl Jesus selbst dazu meint? Wir könnten ihn fragen“.

Und so spricht Jakobus Jesus an: „Es ist doch jeden Tag dasselbe. Da kommen die Leute in Scharen zu dir, freuen sich an dem, was du sagst und tust, dann gehen sie wieder weg, alles ist wie vorher. Und am nächsten Tag geht es wieder von vorne los. Soll das eigentlich endlos so weitergehen?“ Auch Simon schaltet sich in das Gespräch ein: „Jesus, du sagst doch immer wieder, dass mit dir und dem, was du tust, eine neue Zeit angebrochen ist, nämlich das Königreich der Liebe Gottes unter den Menschen“. – „Und ist es für euch nicht neu geworden?“, fragt Jesus zurück. „Doch“, stimmt Simon zu, „für uns ist es wunderbar mit dir. Aber es müssten doch endlich alle Leute verstanden haben, was mit der neuen Zeit gemeint ist. Und dann müsste es langsam anders werden in den Städten und Dörfern. Aber jeden Tag kommen die Menschen wieder mit denselben Fragen, und die Not hört nie auf. Jesus, wann hast du endlich dein Ziel erreicht?“

Da steht Jesus auf, geht zu einer Senfstaude in der Nähe, bückt sich und nimmt ein winzig kleines Senfkorn in die Hand. „Schaut her“, sagt er, „so winzig klein ist das Senfkorn, und trotzdem wächst aus ihm ein großer, kräftiger Senfbaum hervor!“ – „Meinst du“, fragt Andreas, „dass es mit deinen Worten und Taten genauso ist?“ Jesus nickt nur. Simon sagt: „Ich stelle mir mit dem Senfbaum die Zukunft vor: das ganze Land, die Städte und Dörfer. Überall kennen dich die Leute und wissen, wer du bist und glauben deiner Botschaft - auch in unserer Hauptstadt Jerusalem“. „Richtig“, ergänzt Taddäus, „du bist doch der neue König der Liebe Gottes zu allen Menschen. Du solltest eigentlich der König in Jerusalem sein!“

Eine Weile sagt niemand etwas, dann spricht Jesus mitten in das Schweigen hinein: „Bald gehen wir nach Jerusalem!“ Da sind alle Jünger hellwach. „Nach Jerusalem?“ rufen sie durcheinander, „in die Hauptstadt, wo die Regierung ist, wo der römische Statthalter Pontius Pilatus wohnt?“ Jesus nickt.

Daraufhin steht Simon auf, geht allein zu Jesus und sagt zu ihm: „Jesus, wenn du nach Jerusalem gehst und wir natürlich mitgehen, solltest du dir einen guten Plan machen“. Jesus schaut ihn fragend an und Simon holt zu einer Erklärung aus: „Du solltest dort Eindruck machen, der die Leute dort überwältigt. Du warst bisher viel zu bescheiden, hast viel zu wenig aus dir gemacht. Schau, als wir mit den vielen Leuten auf der großen Wiese am See zusammensaßen und du angefangen hast, das Brot zu teilen und alle satt wurden, da hättest du dich viel mehr feiern lassen sollen. Die Leute hätten dich damals schon wie einen König verehrt, hätten dich den Brotkönig genannt und gerufen: ‚Mit diesem König brauchen wir nicht mehr zu hungern. Der könnte sogar aus Steinen Brot machen!“
Simon redet sich so richtig in Fahrt: „Sie würden dich jetzt in einer Sänfte nach Jerusalem tragen, damit du dich mit deinen Sandalen nicht an den großen und spitzen Steinen auf den Wegen stoßen musst“. Sie überqueren gerade einen Hügel mit großartiger Aussicht. Simon weist mit der Hand auf die weite Landschaft und sagt begeistert: „Das ganze Land würde dir zu Füßen liegen und….“
Da fährt ihm Jesus dazwischen und ruft laut: „Schweig Satan! Du redest von menschlichen Hirngespinsten, aber nicht von meinem Auftrag!“ Die anderen Jesusfreunde sind bei dem Wort ‚Satan‘ erschrocken aufgefahren, kommen zu den beiden und fragen nach: „Was ist denn mit euch passiert?“

Jesus beruhigt sie und erzählt ihnen dann: „Als mein Weg mit meiner Botschaft begann, in der Zeit nach der Taufe im Jordan, da ging ich zuerst in die Wüste östlich des Jordan, um mich in der Stille und im Gebet auf diesen Auftrag vorzubereiten. Es war heiß, die Luft flirrte. Ich sah plötzlich eine Gestalt vor mir, die mich freundlich ansprach: ‚Mach Gutes aus deiner Botschaft!‘ sagte sie einladend. ‚Du kannst aus Steinen Brot machen und die Leute werden dich verehren. Du kannst von der hohen Tempelmauer in Jerusalem springen, die Engel werden dich auffangen und die Leute werden jubeln. Denn so heißt es doch in Gottes Wort: Er wird seinen Engeln für dich Befehl geben und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt. Die ganze Welt wird dir zu Füßen liegen, wenn du mich zu deinem Ratgeber machst und mir vertraust‘. Da habe ich gewusst, das ist die Stimme des Satans, des Versuchers und habe ihn – auch mit einem Wort aus der Bibel – vertrieben: ‚Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen!“

Zuerst ist es eine Weile still. Dann schaut Jesus Simon an und sagt freundlich zu ihm: „Bitte verstehe, dass ich bei deinen Worten dieses Erlebnis in der Wüste wieder ganz deutlich vor Augen hatte. Ich weiß doch, dass du es gut mit mir meinst“. Und Simon antwortet erleichtert: „Ja, ich weiß, dass du unser neuer gesalbter König bist, unser neuer David – aber eben so, wie du es bist und nicht, wie wir und andere es oft noch von dir meinen. Du bist der Christus, der von Gott gesandte Retter für uns alle“. Jesus antwortet: „Ja, Simon, ich weiß dass ich mich auf dich verlassen kann. Du bist wie ein Fels, der unerschütterlich dasteht – ein Fels, der auch anderen Halt geben kann, an den sie sich klammern können.“ Dabei weist er mit der Hand auf die mächtigen Felsbrocken vor ihren Augen und sagt: „Simon, ich will dich Fels nennen“.
Sie gehen weiter, eine Weile schweigend, alle hängen ihren Gedanken nach. „Da fragt Jesus und knüpft an das Gespräch von vorhin an: „Was meinen denn eigentlich die anderen Leute von mir? Ihr redet doch auch viel mit ihnen!“ Johannes antwortet: „Die einen meinen, mit dir ist Mose wiedergekommen, der unser Volk aus der ägyptischen Gefangenschaft und durch die Wüste geführt und uns mit den Geboten die Weisungen für unseren Weg gewiesen hat“. Jakobus ergänzt: „Manche sagen auch, du seist der neue Elia, der unseren Glauben an den einen Gott machtvoll gepredigt hat“. Jesus meint dazu: „Nur gut, dass ihr es wisst, wer ich bin!“

Am nächsten Tag führt sie der Weg noch höher ins Bergland hinauf. Die Sonne brennt vom Himmel und Müdigkeit breitet sich aus. Es ist Zeit für eine Mittagspause. In kleinen Grüppchen verteilen sich die Jesusfreunde, suchen sich angenehme Rastplätze zwischen großen Steinen. Jesus geht mit Simon, der jetzt mit dem lateinischen Wort für Fels auch Petrus heißt, Jakobus und Johannes noch höher hinauf, bis sie auf einem flachen Gipfel Platz finden, um es sich dort angenehm zu machen. Petrus dämmert vor sich hin. Er hat immer wieder einen Blick auf Jesus, der etwas von ihm entfernt seinen Platz gefunden hat. Durch seine Gedanken wandern Sätze, die er, Jesus und die anderen gesprochen hatten, die Worte neuer König, Jesus und Satan, Mose, Elia, Petrus der Fels. Es sind Gedanken, die sich mit Bildern verbinden. Auch mit geschlossenen Augen sieht er Jesus vor sich.

Dann geschieht Sonderbares. Es wird immer heller und heller. Es ist kein Sonnenlicht mehr, sondern eine andere geheimnisvolle Lichtquelle. Auch Jesus wird mit seinen Kleidern immer heller. Nun treten in diesem Licht zwei andere Personen ins Blickfeld. Petrus erkennt sie als Mose und Elia. Sie reden mit Jesus. Gebannt nimmt Petrus diese Bilder in sich auf. Es ist angenehm für ihn, mitzusehen und mitzuhören, wie die drei zusammen ins Gespräch vertieft sind. Eine wohlige Wärme von Geborgenheit erfasst ihn – ihn, der hier mit dabei sein darf. Dann hört er auf einmal sich selbst reden: „Es ist so wunderschön und angenehm hier. Können wir nicht hier zusammen bleiben? Zum Schutz vor der Sonne könnten wir euch Hütten bauen, für jeden eine“. Eine Stimme sagt dann noch – Petrus weiß nicht, von wem sie kommt: „Das ist mein lieber Sohn, auf den sollt ihr hören!“ Aber dann ist es, wie wenn eine Wolke vor die Sonne zieht. Es wird dunkler. Petrus macht die Augen auf und sieht alles wieder so, wie es vorher war – Jesus an seinem Sitzplatz, ganz in der Nähe die beiden anderen Freunde. Er geht zu ihnen und erzählt ihnen von seinem Erlebnis. Da nicken die anderen nur und erwidern: „Nicht nur du, sondern auch wir haben das erlebt - genauso, wie du es uns gerade berichtet hast“.

Als die drei mit Jesus den Weg wieder zurück zu den anderen gehen und sie auch mit Jesus über ihr so besonderes, geheimnisvolles und beeindruckendes Erlebnis reden, sagt der zu ihnen noch: „Nehmt diese Bilder von dem großen Licht mit euch, wenn wir uns jetzt auf den Weg nach Jerusalem machen. Haltet sie fest in euch, wenn ihr dort durch ein Tal der Dunkelheit gehen müsst. So wie ich bei meiner Taufe ein wunderbares Erlebnis hatte, das mich auf all meinen Wegen mit euch zusammen begleitet hat, so tragt auch ihr jetzt solch ein Erlebnis mit euch. Gott hat mir in einer geheimnisvollen Stimme gesagt, was mein Auftrag sein wird. Und ihr sollt mit eurem Erlebnis wissen, dass es mein Auftrag bleiben wird, was immer auch geschehen mag“.

Bald haben die vier auch die anderen wieder erreicht. Mit ihnen zusammen geht es beim Abstieg vom Berg immer wieder um Jerusalem und das, was sie dort wohl erwarten mag. „Es ist noch eine weite Strecke bis dorthin“, sagt Jesus. „Zuerst haben wir den Weg nach Jericho vor uns, also vom Anfang des Jordans fast bis zu seinem Ziel am Toten Meer. Von dort ist es nicht mehr so weit hinauf nach Jerusalem. Wenn wir in Jericho sind, der berühmten alten Stadt am Übergang über den Jordan, werden wir uns noch eine ausgiebige Rast gönnen.

 

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