Juni 2016
Christophorus unterwegs zum Wichtigsten in seinem Leben
Ziele
- in dieser Heiligenlegende den Weg des Christophorus zum Ziel seines Lebens mitgehen
- wahrnehmen, wie solche Suche Christophorus immer wieder auf neue Reisen schickt
- Verständnis für die Bedeutung von Heiligen gewinnen
- ahnen, dass es auch in Fragen des Glaubens um eine Reise zu immer neuen Antworten geht
Vorüberlegungen
Die Christophorus-Legende gehört zu den bekanntesten Heiligengeschichten. Auf vielen Bildern ist dargestellt, wie dieser Riese das Christuskind durch die Fluten trägt. Die Legende steckt voller symbolischer Aussagekraft: es geht um die Suche nach dem Wichtigsten im Leben, um den Einsatz eigener Kräfte für lohnende Ziele. Dass Jesus Christus der wahre Herrscher der Welt sei, greift auf das frühe Christusbekenntnis (Kolosser 1,15f.) zurück: Er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung. Denn in ihm ist alles geschaffen, was im Himmel und auf Erden ist, das Sichtbare und das Unsichtbare, es seien Throne oder Herrschaften oder Mächte oder Gewalten; es ist alles durch ihn und zu ihm geschaffen. Und er ist vor allem, und es besteht alles in ihm. In vielen mittelalterlichen Darstellungen hat das Christuskind die Weltkugel als Zeichen der ihm von Gott zugedachten Herrschaft in der Hand. Im kleinen Jesuskind, in dem der allmächtige Gott klein und zerbrechlich erscheint kommt Christophorus mit seiner Suche nach dem Sinn seines Lebens ans Ziel. Sein Weg des Suchens und Findens ist Symbol für Wege im Glauben. Seine Geschichte fordert auch immer wieder zum Unterwegssein im Glauben auf.
Erzählung
Reprobus war ein großer und bärenstarker Mann. Er konnte Sachen tragen, die allen anderen viel zu schwer waren. Mit Leichtigkeit hob er große Steine hoch und brachte sie dorthin, wo man sie brauchte. Er allein konnte das tun, wozu sonst die Kraft vieler Menschen notwendig gewesen wäre. Aber Reprobus war mit seiner Arbeit nicht zufrieden. Größer und stärker zu sein als alle anderen, das wurde ihm zu langweilig. Und deshalb hatte er eine Idee. Er wollte den mächtigsten König auf der Welt suchen und ihm seine Dienste anbieten. Der würde ihm sicherlich die schwersten Sachen zu tragen aufgeben, würde ihn riesengroße Häuser bauen lassen. Das würde ihm gefallen. Da könnte er endlich zeigen, was alles in ihm steckt. Und so machte sich Reprobus auf eine lange Reise, um den mächtigsten König der Welt zu finden.
Tatsächlich konnte er ihn ausfindig machen. Er bot ihm seine Dienste an und fühlte sich wohl bei ihm. Er war stolz darauf, für den stärksten König der Welt zu arbeiten. Aber eines Tages machte er eine sonderbare Entdeckung: Als ein Spielmann mit seiner Laute zu Besuch kam und ein Lied sang, in dem viel vom Teufel die Rede war, erschrak der König und wollte das Lied nicht noch einmal hören. Reprobus fragte den König, warum er vor dem Lied Angst hatte, und der sagte ihm leise: „Der Teufel ist noch mächtiger, als ich es bin“. Daraufhin verließ Reprobus den König und machte sich wieder auf die Suche.
Er suchte den Teufel, fand ihn und dachte zufrieden: „Jetzt habe ich mein Ziel erreicht!“ So bot er auch ihm seine Dienste an. Doch als beide unterwegs waren und nahe an ein Kreuz am Wegesrand herankamen, da zögerte der Teufel und machte einen Umweg, um das Kreuz mit Jesus nicht sehen zu müssen. Reprobus fragte den Teufel: „Warum zeigst du dich denn auf einmal so ängstlich?“ Der Teufel erklärte ihm: „Das Kreuz erinnert an Jesus Christus. In ihm ist Gott zu den Menschen gekommen. Und Gott ist stärker und größer als ich es bin.“ Mit dieser Antwort verließ Reprobus auch den Teufel und suchte weiter. Diesmal sollte ihn seine Reise zu Jesus Christus führen. Wie würde er wohl sein? Noch größer, noch mächtiger, noch gewaltiger? Er konnte es sich nicht vorstellen, aber er war sehr neugierig.
Reprobus zog lange umher, und in einer einsamen Gegend fand er bei einer Kapelle mit einem Kreuz einen Einsiedlermönch. Den fragte er um Rat, wo er den allermächtigsten Jesus Christus finden könne. Der Mönch führte ihn zu einem Fluss in der Nähe und sagte zu ihm: „Über diesen Fluss gibt es schon lange keine Brücke mehr. Und das Wasser ist zu tief und zu gefährlich, um durch es hindurchzugehen. Aber mit deiner Riesenkraft kannst du Menschen von einem Ufer zum anderen sicher hin- und auch wieder zurückbringen. Du kannst ihnen Helfer auf dem schwierigen Weg durch die Fluten sein“. Reprobus fragte zurück: „Und du bist sicher, dass ich dort den Mächtigsten und Stärksten auf der Welt, diesen Jesus Christus, treffen werde?“ Der Mönch nickte und versprach es ihm. Und so trug nun der Riese Reprobus Menschen durch den Fluss hinüber und herüber und wartete auf Jesus Christus, Tag um Tag. Aber es kamen nur ganz normale Menschen zu ihm und baten ihn um seinen Dienst. Reprobus vertraute dem Mönch und wartete weiter. Doch seine Ungeduld wuchs.
Eines Nachts wurde er von einem Ruf geweckt: „Bitte bring mich hinüber ans andere Ufer!“ Reprobus stand auf und suchte den Rufer, aber er traf nur ein Kind. „Bitte bring mich hinüber ans andere Ufer“, sagte es noch einmal sehr eindringlich. Reprobus wunderte sich, aber dann nahm er das Kind auf seine Schultern. Das wird meine leichteste Aufgabe sein, dachte er sich. Mir wäre lieber gewesen, der Mächtigste und Größte, der Jesus Christus hätte mich geweckt. Aber als er mit dem Kind in den Fluss hinein watete, geschah etwas sehr Sonderbares. Die Last auf seiner Schulter wurde immer schwerer und schwerer, so schwer, dass er dieses Kind nur mit allergrößter Mühe und Kraftanstrengung durch den Fluss bringen konnte. „Du bist eine größere und gewaltigere Last, als ich sie je getragen habe“, schnaufte er erschöpft. „Bist du Jesus Christus?“ Das Kind nickte. „So klein und doch das Größte und Mächtigste?“ fragte er verwundert. Wieder nickte das Kind und sagte: „Du suchst den größten und mächtigsten Herrscher der Welt, denkst nur an die äußere Größe und Macht und kommst mit dieser Suche nicht ans Ziel. Aber eine andere Macht ist noch viel größer: die Macht und Kraft, die ich im Auftrag Gottes zu den Menschen gebracht habe. Du hast diese Macht auf deinem starken Rücken getragen. Darum sollst du nicht mehr Reprobus, sondern Christophorus (= Christusträger) heißen. Meiner Macht sollst du fortan dienen.“
Dann war das Kind verschwunden. Christophorus ließ sich in den kommenden Tagen und Wochen viel von diesem Jesus Christus erzählen und verstand so immer besser, was mit dieser anderen Macht Gottes gemeint war. Und je besser er es verstand, desto ruhiger und zufriedener wurde er. Dass er Menschen auf dem gefährlichen Weg durch das Wasser eine große Hilfe sein konnte, das erfüllte ihn täglich neu mit großer Freude.
Gesprächsimpulse
- Als Reprobus den Mächtigsten in der Welt suchte, da hatte er seine Vorstellungen und Erwartungen an das, was er suchte. Was meinst du, welche Erwartungen das wohl waren?
- Was hatte der Mönch wohl gemeint, als er Jesus Christus als den Mächtigsten und Größten nannte? An welche Macht und an welche Größe dachte er da wohl?
- Dass das kleine Kind Jesus Christus zuerst ganz leicht war und dann immer schwerer wurde, das sollte dem Reprobus dabei helfen, die wichtigste Entdeckung seines Lebens zu machen. Welche Entdeckung war das wohl?
- Wo und wie meinst du, hat Christophorus nun dem neuen mächtigsten Herrscher der Welt gedient?
- Wenn Leute darüber sprachen, was wohl das Wichtigste im Leben sei, wie man es suchen und finden könnte, hatte Christophorus ihnen dazu etwas Wichtiges zu sagen. Was wohl?