Mai 2013
Ruth wagt den Weg in das andere Land
(Buch Ruth)
Ziele:
- in der Erzählung miterleben, wie der Aufbruch in das fremde Land zu einem guten Ziel führt
- im Vertrauen auf einen gelingenden Neuanfang bestärkt werden
Fördert:
- Resilienz
- Selbstwertgefühl
- Vertrauen auf Gottes Geleit
- Phantasie
Vom Verlassen des Vertrauten und Anfang im Neuen erzählt ein kleines Büchlein der alttestamentlichen Schriften, das zwischen den Geschichtswerken des Richterbuches und der Samuelbücher gleichsam versteckt ist: das Buch Ruth. Die Handlung ist in der Zeit zwischen dem Einzug der Israeliten ins „Gelobte Land“ und dem Königtum angesiedelt, aber die Zeit der Entstehung dieser Schrift ist die des späten Judentums: Eine Ausländerin als Stammmutter der jüdischen Könige – da stecken Mahnungen drin, den eigenen Anspruch als Volk Gottes sorgsam im Blick auf das Miteinander mit den anderen Völkern zu bedenken.
Das Buch erzählt v.a. von einem mit ermutigenden Zeichen begleiteten Ankommen in der Fremde und konzentriert das auf die persönlichen Erlebnisse und Begegnungen der jungen Frau Ruth. Die Handlung der Geschichte verbindet unterschiedliche Themenkreise.
Die Judäerin Noomi lebt im Nachbarland Moab, wohin ihre Familie, die aus Bethlehem stammt, wegen einer Hungersnot ausgewandert war. Ihre beiden Söhne hatten Moabiterinnen geheiratet. Aber wie ihr eigener Mann starben beide Söhne kinderlos. Noomi beschließt deshalb, in ihre Heimat Bethlehem zurückzukehren und schickt auch die beiden verwitweten Schwiegertöchter zu deren Elternhäusern zurück. Ruth, eine der beiden, fühlt sich ihrer Schwiegermutter, mit ihr auch dem Volk und der Religion ihres verstorbenen Mannes so sehr verbunden, dass sie beschließt, mit Noomi in deren Heimat zu ziehen – in der sie freilich eine Ausländerin, eine Fremde sein wird.
In Bethlehem genießen die beiden mittellosen Frauen das Armenrecht, und Ruth darf die bei der Ernte liegen gebliebenen Ähren einsammeln, um sich und ihre Schwiegermutter zu ernähren. Dort kommt es auch zur Begegnung mit dem Besitzer des Feldes, Boas, einem entfernteren Verwandten der Noomi. Aus der Begegnung wird bald eine Liebesbeziehung. Noomi hilft mit, fädelt auch ein, dass sich Ruth nach dem Erntefest und bei der Übernachtung auf der Tenne zu Boas legt. Die beiden heiraten, und Ruth lebt fortan in geordneten Verhältnissen.
Etwas komplexer wird die Geschichte mit dem rechtlichen Hintergrund: nach ihm müsste der nächste männliche Verwandte Noomis Erbbesitz übernehmen und so Noomi wieder in die Familie integrieren. Er müsste dabei aber auch Ruth heiraten, um so anstelle der verstorbenen Söhne der Noomi die jüdische Nachkommenschaft zu gewährleisten. Dazu ist er aber nicht bereit. Er lehnt ab und gibt diese Rechtspflicht an Boas weiter, der sie gerne annimmt. Es geht in dieser Sicht also um die Integration von Nachkommen Noomis in den jüdischen Traditionszusammenhang – angesichts einer ausländischen Mutter. Dieser juristische Zusammenhang bleibt bei der vorgestellten Erzählung unberücksichtigt, ebenso wie der folgende:
Besonderes Gewicht kommt diesen juristischen Regelungen auch deshalb zu, weil der gemeinsame Sohn von Ruth und Boas mit Namen Obed als der Großvater des berühmten Königs David gilt, Ruth also Davids Urgroßmutter ist. Der Hinweis darauf, dass der als der größte König Israels und Judas verehrte König eine ausländische Urgroßmutter hatte, kann als Kritik an nationalistisch-ausländerfeindlichen Tendenzen in der Spätzeit Judas gelesen werden. Die Erzählung ist vermutlich in dieser Zeit legendenhaft ausgestaltet worden. Sie betont, wie sehr auch eine Frau aus dem mit Juda verfeindeten Moab eine treue Anhängerin des Glaubens an den einen Gott war, diesem Glauben trotz der damit verbundenen Unsicherheiten und Unwägbarkeiten die Treue gehalten hat. Das macht sie so zu einer in ganz besonderer Weise beeindruckenden Repräsentantin dieses Glaubens.
Umgekehrt ist diese Geschichte auch ein Beleg dafür, wie das Vertrauen auf diesen Gott auch bei einem Weg in die Fremde nicht enttäuscht wird, sich durch Gottes Fügung alles zum Guten wendet.
Der folgende Erzählvorschlag konzentriert sich auf das Leitthema: Vertrautes verlassen – anderswo neu beginnen. In den Gesprächen zwischen Noomi und Ruth geht es zunächst rückblickend um die Erfahrungen Noomis in dem für sie fremden Land Moab und dann umgekehrt um die entsprechenden Ruths. Und in beiden geht es auch darum, inwiefern das Vertrauen auf Gott beim Bewältigen dieser Herausforderungen helfen kann. Alle weiteren Aspekte im biblischen Text werden um der gebotenen Einfachheit der Erzählung willen ausgeblendet.
Ruth lebt mit ihrem Mann und dessen Mutter Noomi im Land Moab, weit weg von uns, aber in der Nähe von Israel, dem Land von Abraham und Sara, Mose, später auch von David und noch später von Jesus. In Moab ist Ruth zuhause. Ihr Mann und Noomi sind Ausländer, denn sie stammen aus dem Land Israel.
Ruth hört gerne zu, wenn Noomi davon erzählt, wie ihre Familie vor vielen Jahren Israel verließ, weil dort eine Hungersnot herrschte, und wie sie als Fremde in Moab eine neue Heimat fanden. Ruth war noch nie in einem anderen Land, und sie kann sich gar nicht so recht vorstellen, wie das ist, wenn man wohin kommt, wo Vieles anders ist als es zuhause war. Da gelten andere Gesetze, da spricht man eine andere Sprache, da gibt es anderes Essen und da gibt es auch eine andere Religion. Ruth mag Noomi gern und auch Noomi mag die Ruth. Das gilt auch für all das, was Noomi und ihr Mann aus deren Heimat Israel mitgebracht haben, vor allem den Glauben an den einen Gott. Wenn Noomi und ihre Söhne zu dem einen Gott beten und Geschichten von ihm erzählen, dann sagt Ruth immer wieder: Zu diesem Gott möchte ich auch gerne gehören.
Aber dann geschieht Schlimmes: Noomis Mann und auch beide Söhne sterben, und Noomi beschließt wieder in ihre Heimat Bethlehem zurückzukehren. „Ich muss jetzt dahin zurück, wo ich herstamme“, sagt sie mit schwerem Herzen zu Ruth und der Frau ihres anderen Sohnes. „Ich will in meiner alten Heimat den Rest meines Lebens verbringen“. Und dann sagt sie noch zu den beiden Frauen: „Geht auch ihr zurück zu euren Familien, in euer Elternhaus, wo ihr zuhause seid. Fangt dort ein neues Leben an!“
Doch Ruth schüttelt den Kopf. Sie wehrt sich gegen diesen Vorschlag. „Ich will bei dir bleiben, ich will dich nicht verlassen!“ sagt sie zu Noomi. „Ich kann dich doch jetzt nicht im Stich lassen. Wir beide gehören doch so sehr zusammen!“ Aber Noomi antwortet: „Ich weiß, wie schwer es ist, aus der eigenen Heimat fort zu ziehen, in ein fremdes Land. Das möchte ich dir nicht zumuten. Denn meine Heimat Bethlehem wird für dich ein fremder Ort sein, mit fremden Menschen, fremden Gesetzen und fremden Gewohnheiten der Leute, die dort leben. Du bist noch so jung, du wirst am besten in deiner Heimat einen neuen Ehemann finden!“ Wieder schüttelt Ruth den Kopf: „Ich lasse dich nicht allein gehen. Wo du hingehst, da will ich auch hingehen! Du hast mir so viel davon erzählt, wie du zu dem einen Gott gebetet hast, und wie Gott euch auf dem Weg in euer fremdes Land, unsere Heimat, begleitet hat. Das wird jetzt umgekehrt sein. Jetzt gehe ich mit dir in mein fremdes Land, das deine Heimat ist, und Gott wird uns beide beschützen, wie er damals euch beschützt hat!“
Dann machen sich die beiden auf den Weg und kommen nach vielen Tagen in Bethlehem an. Es ist dort Vieles so anders, als Ruth es sich vorgestellt hatte. Und auch für Noomi ist Vieles anders geworden. Sie kennt kaum mehr jemand, auch für sie ist Vieles fremd. „Gott wird uns helfen!“ sagen die beiden immer wieder.
Zwar finden die beiden ein Häuschen, in dem sie wohnen können, aber wovon sollen sie leben? Immer wieder klopft Noomi mit Ruth bei ihren Verwandten an: „Habt ihr nicht eine gute Idee, wie es mit uns beiden, vor allem mit meiner Schwiegertochter Ruth weitergehen könnte?“ Aber die wissen auch nichts. Sie schauen nur die fremde Frau Ruth aus dem Land Moab komisch an, als wollten sie sagen: „Was willst du eigentlich bei uns? Du gehörst doch nicht hierher! Unsere Völker sind doch nicht befreundet! Geh doch besser wieder zurück in deine Heimat!“ Es sind keine schönen Tage für Ruth. Was ihr Kraft gibt, ist Noomi, die fest zu ihr hält. Und gemeinsam erinnern sich die beiden an die Geschichten von Menschen, die auch ihre Heimat verlassen hatten, um im fremden Land eine neue Heimat zu finden.
„Morgen beginnt die Getreideernte“, sagt Noomi eines Tages zu Ruth. Bei uns ist es üblich, dass nach der Ernte die Armen auf die Felder gehen und die Getreidehalme aufsammeln, die übrig geblieben sind. Das gibt wieder einiges Mehl zum Brotbacken!“ – „Diese Regel ist ganz praktisch für uns“, meint Ruth, „aber lohnt sich denn die Mühe?“ Noomi spricht weiter: „Geh zuerst auf das Feld des Boas. Der ist auch mit mir verwandt. Er ist freundlich, und ich glaube auch, dass du ihm gefällst“. Und dabei lächelt sie schelmisch. „Auf jeden Fall ist er großzügig und lässt bestimmt etwas Getreide für die Armen übrig“.
Und so ist es auch. Noomi und Ruth lesen auf Boas’ Feld die letzten Ähren auf. Im Laufe des Tages kommt auch Boas selbst auf den Acker, um nach seinen Arbeitern zu sehen. Er begrüßt Noomi, lernt dann auch Ruth kennen und unterhält sich freundlich mit ihr. Am nächsten Tag lesen sie auf einem anderen Feld des Boas Ähren auf. Und da fällt Ruth auf, dass erstaunlich viele Ähren übrig geblieben sind. Ruth macht sich dazu ihre Gedanken.
Dann ist die Ernte zu Ende, und der Tag ist da, an dem gemeinsam das Erntefest gefeiert wird. Ruth wundert sich überhaupt nicht, dass Boas auch sie und Noomi zum Fest auf seinen Ernteplatz eingeladen hat. Ruth und Boas reden viel miteinander, singen und tanzen zusammen mit den anderen und verstehen sich sehr gut.
Ruth denkt so vor sich hin: „Es ist zwar alles so anders als bei uns zuhause im Land Moab. Aber es ist so schön, wenn man Menschen um sich hat, die einen mögen. Da ist alles gar nicht mehr so fremd. Und sie denkt dabei an Noomi und immer mehr auch an Boas. Sie sagt im Stillen vor sich hin: „Ich glaube, dass Boas mich mag, und ich mag ihn auch. Aber ich bin doch eine Ausländerin, ich komme doch aus einem fremden Land! Ob er nicht doch lieber eine Frau aus seinem eigenen Volk heiraten wird?“
Es ist schon spät am Abend, als Noomi zu Ruth sagt: „Geh doch zu Boas! Ich glaube er wartet auf dich!“
Gesprächsimpulse
- Ruth hat von Noomi viel darüber erfahren, wie es ist, in ein Land und zu Menschen zu kommen, die man nicht kennt. Wie ist das wohl bei uns?
- Ruth ist mit Noomi in deren Heimat gegangen. Sie hat sich sicherlich genau überlegt, was da auf sie zukommt. Was ist ihr da wohl durch den Kopf gegangen?
- Was Noomi und Ruth da gemeinsam erlebt haben, hat das auch etwas mit Gott zu tun? Was meinst du dazu
- Ein Glück, dass es den Boas gegeben hat. Durch ihn ist für Ruth Vieles leichter geworden. Hast du das in der Geschichte gemerkt
- Ob sich Boas wohl auch überlegt hat, ob er sich mit jemand aus der Fremde anfreunden soll? Was ist ihm wohl durch den Kopf gegangen?
- Wie ist die Geschichte wohl weitergegangen?