Heilung des Aussätzigen
Heilung des Aussätzigen (Mk.1,40-44)
Aus der Gemeinschaft ausgeschlossen sein – in die Gemeinschaft neu aufgenommen werden
Vorüberlegungen
In dieser kurzen Heilungsgeschichte am Anfang des Markusevangeliums kommt viel von dem zur Geltung, was für Jesu Wunderwirken kennzeichnend ist: Das große Zutrauen des Kranken zu Jesus und dessen freundliche Zuwendung zu ihm. Dieser Kern der Geschichte aber braucht einen Erzählrahmen, der die Not des Kranken vor Augen stellt. In solch einer Vorgeschichte muss das Verständnis dafür vorbereitet werden, dass es bei Jesu Heilen nicht um einen medizinischen Eingriff geht, sondern um ganzheitliche Zuwendung. Aussatz steht dann auch für das ausgesondert Sein, für Isolierung, Alleinsein, Einsamkeit, für demütigende Erfahrungen der Zurückweisung. Indem sich Jesus dem Aussätzigen zuwendet, durchbricht er die Mauer der Abgrenzung – so fängt die Gesundung an.
Nicht berücksichtigt wird in der Nacherzählung das seltsame Verhalten Jesu nach der Heilung. Es ist von einem theologischen Grundzug des Markusevangeliums her zu erklären. Sein Kennzeichen ist, dass Jesus selbst das Bekanntwerden seines Wirkens und seiner Vollmacht samt damit verbundener Verehrung durch die Menschen abgewehrt hätte. Denn das hätte ihn daran hindern können, den Weg ans Kreuz zu gehen. Dieser Gedanke kann hier vernachlässigt werden.
Den Aussatz als medizinisches Phänomen kennen die Kinder wohl kaum, aber umso mehr die Situation des ausgegrenzt Seins als psychische Belastung. Erfahrungen des Ausgeschlossen-Werdens und der Stigmatisierung gehören zu ihrem Alltag dazu. Indem diese Geschichte solchen Erfahrungen einen Gegenakzent gegenüberstellt, kann sie zu einem Zeichen der Hoffnung werden: Es gibt auch das andere, das Aufbrechen des Trennenden. Biblisch-christliche Überlieferung ist reich an solchen Hoffnungsgeschichten und –bildern, die mit ihrem wunderbaren Inhalt gegen die Alltagserfahrungen stehen. Sie sollten allerdings in das Weltbild der Kinder passen, d.h. keine märchenhafte Sonderwelt bilden, und doch eine Gegengeschichte gegen die üblichen Erfahrungen sein. So wie Jesus mit seiner Zuwendung den Kranken beschenkt, sind solche Geschichten auch für Kinder „Hoffnungsgeschenke“, die sich nicht bloß in moralischen Appellen, sich um die Ausgestoßenen zu kümmern, verflüchtigen sollten.
- nachempfinden, was es heißt, ausgegrenzt zu sein
- nachempfinden, wie der Aussätzige durch seine Begegnung mit Jesus aus seiner Isolation befreit wurde
- entdecken, dass Jesu Zuwendung Menschen an Leib und Seele heilt
- sich bewusst werden, dass biblische Wundergeschichten als Hoffnungsgeschichten im Kontrast zu vielen alltäglichen Erfahrungen stehen.
Erzählanregung
1. Szene: Im Weinberg
Die Hauptperson wird den Kindern bekannt gemacht. Mit der erfundenen Umgebung wird das ins Spiel gebracht, was Dan später durch seine Krankheit verlieren wird: das freundschaftliche Miteinander mit den anderen. Weil dies so wichtig ist, wird es gleich durch eine kleine Szene am Feierabend verstärkt.
Seit er sich erinnern kann, lebt Dan in dem Dorf am See Genezareth. Seine Arbeit hat er in den Weinbergen. Mit seinen Kollegen versteht er sich gut. Mühsam und anstrengend ist es schon, Weinstock um Weinstock mit dem Rebmesser zu beschneiden, damit sich die Fruchtansätze gut entwickeln können. Da tut der Rücken oft weh, und in der Sommerhitze gibt es kaum Schatten. Um so mehr freut sich Dan auf die Pausen. Da sitzt er dann mit den anderen zusammen und sie tauschen sich Neuigkeiten aus. Auch am Abend, wenn die Arbeit getan ist, sitzt er gerne mit seinen Nachbarn zusammen. Wenn ihn die Leute fragen: „Wie gefällt dir denn dein Beruf?“, dann sagt er oft: „Er ist schon sehr anstrengend, aber mit meinen Kumpels verstehe ich mich gut, und das ist für mich das Wichtigste!“
2. Szene: Unangenehme Entdeckung
Hier geht es um den Hintergrund der Krankheit. Statt sie zu erklären, wird sie in den Handlungszusammenhang integriert. Damit kann zugleich die Angst erzählt werden, die sich in Dan breit macht.
Im Weinberg rückt die soziale Dimension der Krankheit ganz in den Vordergrund. Die Kinder sollen mitverfolgen können, wie die Hauptperson unter dem entstehenden sozialen „Aussatz“ leidet. Das kann sehr anschaulich werden.
Auch hier soll wieder die zweite Szene zuhause die eingetretene soziale Isolation verdeutlichen.
Eines Morgens beim Waschen entdeckt Dan ein paar Flecken auf seiner Haut. Ach, die werden schon wieder vergehen, denkt er sich. Es wird ja doch wohl nichts Schlimmes sein. Aber dann erinnert er sich an einen Nachbarn, der vor ein paar Jahren an Aussatz erkrankt war. Das fing bei dem auch mit Flecken auf der Haut an. Damit er niemand ansteckte, musste er das Dorf verlassen und durfte mit niemandem mehr zusammen kommen. Bloß das nicht, denkt Dan beunruhigt.
Bei der Arbeitspause im Weinberg, als sie sich wieder unterhalten und miteinander etwas essen und trinken, schaut ihn einer der Freunde plötzlich aufmerksam an und sagt dann zu ihm: „Du hast ja Flecken auf dem Rücken! Wenn das bloß nicht...“ Er redet nicht weiter. Aber die fröhliche Stimmung ist plötzlich vorbei. Die anderen schauen auf einmal so komisch zu ihm her. Ein paar tuscheln miteinander. Dan spürt, dass sie über ihn reden, aber er weiß nicht, wie er sich verhalten soll. Auch als die Arbeit wieder weitergeht, ist es anders als vorher. Er meint zu spüren, dass die anderen von ihm abrücken. Wenn er einen anspricht, sagt der verlegen ein paar freundliche Worte und geht gleich wieder weg. Es ist ihm, als ob auf einmal eine unsichtbare Wand zwischen ihm und seinen Arbeitskollegen da wäre. Er würde gerne mit ihnen bereden, was geschehen ist, aber jeder weicht ihm aus. Den Rest des Tages arbeitet er alleine in einer Reihe, die anderen haben sich Arbeit ein paar Reihen weiter gesucht. Und auf dem Heimweg ruft ihm einer der Freunde zu: „Du solltest zum Arzt gehen! Du weißt ja, Aussatz ist ansteckend!“
Dass es mit ihm jetzt anders ist als vorher, das muss sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen haben. Jedenfalls sitzt von den Nachbarn heute niemand vor dem Haus. Er ist allein mit sich und seiner Angst. Für die anderen ist er wohl schon zu einem Fremden, zu einem Aussätzigen geworden. So schnell geht das also, denkt er sich.
3. Szene: Unterwegs
Die nötigen sachlichen Details werden verbunden mit Gefühlen des Dan. Sie liefern die Handlungselemente, in die hinein, v.a. mit den Monologen, erzählt werden kann, wie Dan diesen Aufbruch in die Isolation erlebt.
Zugleich werden mit der Sehnsucht des Dan schon die Wegweiser auf die heilvolle Wendung hin aufgestellt und bei den Kindern die entsprechenden Erwartung geweckt. Sie ahnen und wissen, dass sich die Geschichte zum Guten hin bewegen wird. Aber auch diese Sehnsucht wird ganz in der psychischen Dimension artikuliert, um Verengungen auf bloße medizinische Heilung auch weiterhin vorzubeugen.
Am nächsten Tag geht er zum Arzt. Der sagt ihm, dass es wirklich Aussatz ist und erklärt ihm, was er jetzt zu tun hat. Dann schickt er ihn gleich weg. Alleine geht er heim, packt ein paar Sachen zusammen und macht sich auf den Weg. Sein Ziel ist das Tal der Aussätzigen. Niemand spricht ihn an, als er sein Heimatdorf verlässt. Bekannte, die ihm entgegen kommen, weichen aus – so, dass er es nicht merken soll. Ja, für die anderen bin ich jetzt wie ein Gift, denkt er sich bitter. Alle haben sie jetzt Abscheu vor mir. Und ich muss die anderen sogar noch vor mir warnen. Das hatte ihm der Arzt aufgetragen. Als zwei Unbekannte auf ihn zukommen, ruft er laut: „Vorsicht, unrein!“, und erschreckt laufen sie auf die Seite. Gibt es denn niemanden, denkt er sich, der vor mir und meiner Krankheit keine Angst hat? Ich kann doch noch reden! Aber ich bin jetzt unrein, schmutzig, dreckig. Mit so einem wie mir will niemand mehr etwas zu tun haben. Für die anderen bin ich jetzt schon gestorben! Je länger er geht, desto größer wird seine Sehnsucht nach jemandem, der ihn wie einen Mensch behandelt.
4. Szene: Bei Jesus
Damit die Geschichte nicht zu kompliziert wird, wird auf die Aufnahme des Dan im Dorf der Aussätzigen verzichtet. So bleibt das Motiv der Isolation auch klarer fassbar. Die Szene der Begegnung mit Jesus wird als eher zufällige Begegnung erzählt. Was Dan von Jesus wissen muss, wird hier durch die erzählte Beobachtung aus der Ferne eingebracht. Sie weckt bei Dan den Willen, sich Jesus zu nähern.
Und nun kann anschaulich erzählt werden, wie Jesus die Mauer der Isolation durchbricht, sich ihm zuwendet, ihn heilt. Großes Gewicht haben die deutenden Sätze. Wie können sie erzählt werden, damit sie nicht zu theologisch-künstlich wirken? Aber sie sollen doch die Botschaft Jesu vom Reich Gottes, von Gottes Nähe ganz elementar aussagen. Mit Hilfe des Dialogs wird dies hier versucht.
In einem zweiten Kreis werden auch die anderen in die Heilungsgeschichte einbezogen, indem auch sie die Isolation aufheben. An deren Stelle könnte auch eine Szene treten, wie Dan wieder in die Dorfgemeinschaft aufgenommen wird.
Der Hinweis, sich den Priestern zu zeigen, wird nur kurz angedeutet. Die Priester hatten damals auch die Funktion der Gesundheitsbehörde. Das Moment des Medizinischen soll nicht dominieren, aber der deutliche Hinweis im biblischen Text soll nicht unterschlagen werden. Kinder würden evtl. nachfragen, wie die Dorfbewohner vom Heilungsgeschehen erfahren haben.
Mit einem letzten Blick auf den sich freuenden Dan klingt die Geschichte aus.
Nach einer Weile bemerkt er vor sich eine Menschengruppe. Langsam geht er auf sie zu. Er sieht, wie jemand auf einer Trage zu einem Mann in der Mitte gebracht wird. Und der beugt sich zu dem Kranken und spricht mit ihm. Das muss dieser Jesus sein, kommt es ihm in den Sinn. Davon hatte er doch schon einmal gehört. Aufmerksam schaut er hin, wie Jesus den Kranken an seinen Schultern fasst und ihn aufrichtet. Er spürt richtig mit, wie das dem Kranken gut tut. Der hat keine Angst vor der Krankheit, denkt er sich, zu dem muss ich hin! Der muss mir helfen. Der wird mich nicht abweisen. Und er läuft auf die Gruppe zu.
„Unrein!“ ruft er laut und läuft doch weiter. Und er ruft weiter: „Jesus, du kannst mir helfen!“ Er sieht, wie Jesus die anderen hinter sich lässt und auf ihn zukommt. Da wird ihm ganz warm vor Freude. Als sie einander gegenüberstehen, sagt er ganz aufgeregt: „Jesus, wenn du willst, kannst du mir helfen!“ Und er kniet nieder, als wollte er sagen: So ernst ist es mir damit! Jesus weicht vor ihm nicht aus, wendet sich nicht ab, sondern schaut ihn an und legt ihm die Hand auf die Schultern. Und er sagt: „Du sollst zu den anderen dazugehören und nicht länger ausgestoßen sein. Du sollst wieder die Freundschaft mit den anderen erleben und genießen können! Und Gott ist dein Freund. Du sollst spüren, dass du wertvoll und wichtig bist! Und die anderen sollen das auch wissen. Du sollst rein sein!“ Jedes dieser Worte saugt Dan in sich auf wie ein Schwamm. Und er weiß, dass es so geschehen wird. „Dann werden die im Dorf keinen Bogen mehr um mich machen?“ fragt er zurück. „Nein“, sagt Jesus, „so wie ich mit dir rede, werden auch sie wieder bei dir sein. Du gehört zu ihnen dazu!“ Die unsichtbare Wand, die dich von den anderen getrennt hat, soll nicht mehr sein. Jetzt kommen auch die anderen näher, ohne Scheu vor ihm, und reden mit ihm. Es ist ihm, wie wenn seine Unreinheit, seine Krankheit von ihm abgefallen wäre. „Zeige dich den Priestern noch,“ sagt Jesus, „sie werden dir bestätigen, dass du rein bist!“ – „Ich freue mich so“, sagt Dan, „jetzt hat mein Leben noch einmal begonnen! Dass ich wieder zu den anderen gehöre, ist das größte Geschenk meines Lebens!“
- Die Krankheit hat das ganze Leben des Dan verändert.
- Manche Veränderungen haben ihm besonders wehgetan. Was hat ihm wohl deiner Meinung nach am meisten zu schaffen gemacht?
- Du kennst vielleicht auch andere Beispiele dafür, wie Menschen plötzlich von einem abrücken und sich eine unsichtbare Wand auftut?
- Dem Kranken sind viele Gedanken durch den Kopf gegangen, als er sein Dorf verließ? Er denkt an das, was geschehen ist, aber auch an das, was vor ihm liegt.
- Die Begegnung mit Jesus war für Dan voller freudiger Überraschungen. Erzähle davon!
- Jesus spricht zu dem Kranken auch von Gott. Ob sich dadurch wohl die Beziehung des Kranken zu Gott verändert hat?
Anregungen für die Freiarbeit
l Ihr könnt den Weg des Dan im Sandkasten gestalten. Gegenstände bzw. Symbole helfen euch auszudrücken, wie es Dan an den einzelnen Stationen seines Weges geht.
l Sich-Abwenden und Einander-Zuwenden – beides hat Dan erlebt. Ihr könnt diese Situationen darstellen – mit eurem Körper, mit Holzfiguren, mit Modelliermasse. Überlegt genau:
- Wo stehen die einzelnen Mitspieler oder Figuren?
- Wie stehen sie zueinander?
- Wie ist ihre Körperhaltung?
- Wie sind die Abstände voneinander?
l Eine unsichtbare Mauer trennt Dan von seinen Freunden. Ihr könnt dieser Mauer verschiedene Namen geben.
- Schreibt diese Namen eindrücklich auf ein Stück OV-Folie
- Klebt an jede Seite der Folie einen Holz-Spieß, so dass die Spitze unten übersteht.
- Jetzt könnt ihr eure Mauer auf einer Styroporplatte befestigen.
- Vielleicht wollt ihr auch Dan und seine Freunde darstellen.
- Wenn eine Gruppe Dans Weg gerade im Sandkasten gestaltet, dann fragt doch, ob ihr diesen Weg mit eurer Mauer ergänzen dürft.
l Manche der Worte Jesu klingen noch in Dan nach. Du kannst mit solchen Worten ein „Mutmach-Wortbild“ gestalten. Findest du im Raum / im Haus einen Platz, wo dieses Bild besonders gut hinpasst?
l Ausgeschlossen-Sein ist wie... Neu-Aufgenommen-Werden ist wie..
Du findest sicher Bilder und Worte, die zu diesen Erfahrungen passen.
Magst du ein Plakat dazu gestalten?
l Dan arbeitet in unserer Erzählung in einem Weinberg. Er könnte auch einen anderen Beruf haben. Schreibe dazu den Anfang der Geschichte neu. Was ist in dieser neuen Geschichte anders geworden, was ist gleich geblieben? Führe mit der Klasse ein Gespräch zu deiner neuen Geschichte. Was meinen wohl deine Mitschüler dazu?
l Vielleicht magst du die Gedanken des Dan in den verschiedenen Situationen seines Weges in einem Tagebuch festhalten?
l Abwenden – Zuwenden… Ausgeschlossen-Aufgenommen… Mit solchen Wortpaaren kannst du Dans Erfahrungen z.B. in konkreter Poesie gut darstellen.
l In Psalmworten können die Erfahrungen des Dan gut zum Ausdruck kommen. Du kannst passende Psalmen aus der Psalmwortkartei aussuchen oder selbst Psalmgebete schreiben. Vielleicht habt ihr noch Lust, ein kleines Bilderbuch oder Leporello zu gestalten, in dem ihr zu Wegstationen des Dan Bilder malt und eure Psalmtexte in schöner Schrift den Bildern zuordnet.
l Versucht die Empfindungen des Dan in den verschiedenen Stationen seines Weges in Klängen auszudrücken. Vielleicht könnt ihr mit der Gruppe, welche die Situation des Dan pantomimisch darstellt, eine gemeinsame Aufführung vorbereiten?
l „Jetzt hat mein Leben noch einmal begonnen“, sagt Dan. Vielleicht kannst du das, was Dan meint, symbolisch zum Ausdruck bringen, z.B.
- eine Knospe entfaltet sich
- die Sonne vertreibt die Dunkelheit
- .......
Male dein Symbolbild für Dan!