Gleichnis vom Sämann
Gleichnis vom Sämann (Mt.13,1-9)
Misserfolge haben nicht das letzte Wort
Vorüberlegungen
Entgegen der Allegorie, die Zug um Zug die Einzelelemente des Gleichnisses auf die Situation der frühen Gemeinde hin deutet (V.18-23) und es so zur Mahnung werden lässt, selbst Gutes zu tun und nicht unfruchtbarer Boden zu sein („Vielfach ist das Ackerfeld, Mensch, wie ist dein Herz bestellt?“), knüpft die Erzählung an die Gleichnisfassung an, die in der Verkündigung Jesu entstand. Hier ist das Gleichnis auf einen Bezugspunkt hin zugespitzt: Obwohl so viel von dem Gesäten verloren geht, wächst doch eine wunderbar reiche Ernte heran. Als Rahmensituation, auf die dieses Gleichnis antwortet, könnten Zweifel an der Wirksamkeit der Verkündigung Jesu stehen. Dieser Rahmen selbst wird nicht weiter verfolgt, wohl aber die Intention, die von ihm her das Gleichnis bekommt. In gewisser Parallele zum Gleichnis vom Senfkorn ist es ein Mutmach- und Hoffnungsgleichnis. Gegen die Erfahrung, dass die erhoffte Resonanz ausbleibt und sich der erwartete Erfolg nicht einstellt, steht die Perspektive des Gelingens. Gott kann und wird auch da Frucht wachsen lassen, wo es auf den ersten Blick nicht danach aussieht.
Kinder kennen Situationen, in denen sie die Erfolgschancen ihres Tuns schwinden sehen, in denen sie sich zu sehr von den Signalen des Misslingens beeindrucken lassen und an ihren Fähigkeiten zweifeln. Auch über den Auftrag der Evangeliumsverkündigung hinausgehend kann ihnen das Gleichnis Mut machen, den ihnen von Gott gegebenen Gaben und Fähigkeiten wieder mehr zu vertrauen und auch trotz erlebter Fehlschläge und Niederlagen an der Hoffnung auf Gelingen festzuhalten. Im Sinne der von Erikson beschriebenen Krise „Werksinn gegen Minderwertigkeitsgefühl“ hilft dieses Gleichnis, die eigenen Fähigkeiten wieder deutlicher zu sehen.
Lernziele
- die Enttäuschung des Sämanns in der Geschichte nachempfinden
- an dessen Freude über den unerwarteten Ertrag Anteil nehmen
- entdecken, dass die Bilder dieses Gleichnisses Angebote zur Deutung unserer Wirklichkeit sind
- entdecken, dass dieses Gleichnis auch heute noch in Menschen das Vertrauen auf Gelingen stärken kann
- wahrnehmen, dass Menschen ihr Gelingen zugleich als Geschenk von Gott deuten
Erzählanregung
1. Szene: Vor der großen Aufgabe
In der Person des Micha wird der Sämann zum Identifikationsangebot für die Kinder. Ursprüngliche Freude an neuen Aufgaben samt den damit verbundenen Bildern vom Gelingen soll spürbar werden. Mit der erfundenen Erzählhandlung vom Üben wird zugleich die damalige Technik des Säens vorgestellt.
Micha ist ganz aufgeregt. „In ein paar Tagen wollen wir säen“, sagt der Vater, „und der Acker dort drüben am Hang, das ist diesmal deine Aufgabe!“ Er bindet sich schon das große Tuch um, in das dann die Körner hinein kommen, tut aber jetzt zum Üben nur Sand hinein. Mit großem Schwung wirft er den Sand aus, bis er mit sich zufrieden ist. „So mache ich es“, denkt er sich, „und dann wird aus jedem Korn ein neuer Halm!“ Er sieht vor seinem inneren Auge schon ein Getreidefeld, auf dem die vollen Ähren im Wind hin und her schaukeln. „Das ist mein Feld“, denkt er voller Stolz, „das wächst dann aus meiner Saat!“
2. Szene: Erfahrung des Gelingens
Dasselbe gilt auch für diese zweite Szene. Sie könnte auch die erste ersetzen. Berücksichtigt ist hier, dass in Palästina erst nach dem Säen gepflügt wurde.
Endlich ist es soweit. Micha fährt mit dem Korn hinaus, bindet sich das Tuch um und fängt an zu säen. Eine Handvoll nach der anderen wirft er auf das Feld, so dass sich die Körner gut verteilen. Das macht Spaß! Als alles fertig ist, ist es schon Abend. Zufrieden schaut er auf sein Werk. Morgen wird er mit dem Vater wiederkommen und den Boden umpflügen, so dass die Körner gut in das Erdreich eingebettet werden.
3. Szene: Die erste Enttäuschung
Die Erzählung bleibt konsequent bei den Gefühlen des Micha, seinem Ärger, seiner Hilflosigkeit, Enttäuschung und Wut. Der Vater bringt wichtige Informationselemente ein. Diese Erzählung macht ihn gerade nicht zu einer Person, die dem Micha die Fehler vorrechnet. Oder würde gerade dies die Erfahrungen der Kinder besser wiedergeben?
Aber als er am nächsten Tag wieder draußen ist, sieht er mit Schrecken, wie viele Vögel eifrig auf seinem Feld picken. Voller Zorn rennt er auf dem Feld umher und vertreibt sie. „Die haben mir alle meine Körner weg gefressen“ jammert er. „Jetzt wird wohl nicht mehr viel wachsen. Das Saatgut ist weg, verloren!“ „Ja“, sagt der Vater, „wo der Boden fest ist, so wie auf dem Weg, da liegen die Körner eben ungeschützt da. Damit muss man rechnen, wenn man sät. Nächstes Mal kannst du ja besser darauf achten, dass nicht so viel auf den Weg fällt!“ Dann machen die beiden sich an die Arbeit und ziehen mit dem Pflug ihre Furchen. Immer wieder muss Micha an all die Körner denken, die er umsonst gesät hat. Vor seinem inneren Auge ist das Ährenfeld nicht mehr so dicht und üppig. Und seine Freude ist auch nicht mehr groß. „Lass den Kopf nicht hängen“, ermuntert der Vater ihn, „da wird schon noch etwas aus deinem Feld! Komm, wir haben noch anderes zu tun!“
4. Szene: Die zweite Enttäuschung
Wiederholte Enttäuschung droht zu einem Grundgefühl zu werden, das auf alles mögliche andere übertragen wird. Die Enttäuschungen nagen kräftig am Selbstwertgefühl. Gerade im Gegenüber zu den tröstenden Eltern soll es in seiner verhängnisvollen Wirkung anschaulich werden. Gefühle - und was sie bedeuten – werden hauptsächlich über Dialoge erzählbar. Darum sind neben dem im biblischen Text beschriebenen Tun die begleitenden Gespräche mit den Eltern so wichtig.
Einige Zeit später geht Micha wieder hinaus. Es hat inzwischen geregnet, und vielleicht sieht man schon kleine Hälmchen, die aus den Körnern gewachsen sind. Und wirklich, da sprießt es schon da und dort. „Na ja, da ist ja doch noch einiges am Aufgehen“, sagt sich Micha zufrieden. „Da habe ich mir doch zu viele Sorgen gemacht!“ Nach dem Regen folgen sonnige Tage, und Micha schaut wieder nach. Aber er erschrickt, wie er sieht, dass viele Hälmchen welk und verdorrt daliegen. Enttäuscht geht er heim. „Na, wie sieht es denn auf deinem Feld aus?“ fragt die Mutter. „Was die Vögel übrig gelassen haben, das ist jetzt verdorrt“, antwortet er traurig. Alle Freude über seinen Acker ist dahin. „Was habe ich denn falsch gemacht“, fragt er, „dass auf meinem Feld nichts wächst?“ Die Mutter versucht ihn zu trösten: „Wo der Boden ganz dünn ist, da können die Pflänzchen nicht in die Tiefe wachsen, und deshalb verdorren sie, wenn die Sonne scheint. Aber es gibt doch sicher noch genug andere, die gut gedeihen!“ „Davon habe ich nichts gesehen“ brummt Micha. In den nächsten Wochen hat er keine Lust, hinaus zu gehen.
5. Szene: Die dritte Enttäuschung
Im Wesentlichen wird hier Bisheriges bekräftigt. Diese Szene wird genutzt, um die Ausweitung der Selbstzweifel vom einzelnen Ereignis auf die ganze Person zu unterstreichen.
Aber dann siegt doch die Neugierde. Beim Näherkommen leuchtet ihm schon viel Grün entgegen. Das gefällt ihm, und zufrieden tritt er an sein Feld. Aber dann erschrickt er wieder. Was da so grün her schaut, das sind ja gar nicht die Getreidepflänzchen, sondern das ist Unkraut. Es ist viel schneller gewachsen als die Saat und mit seinen großen Blättern nimmt es dem Getreide das Licht weg. Jetzt hat Micha endgültig genug von seinem Acker. Als er es der Mutter erzählt, meint die: „Da kann man nichts machen! Beim Ausreißen des Unkrauts würde man auch die Getreidepflanzen zertreten. Das muss jetzt so wachsen“. „Von diesem blöden Acker will ich nichts mehr wissen!“ schreit Micha in seiner Enttäuschung. „Und Bauer will ich auch nicht werden!“ Wie hatte er sich damals beim Säen gefreut, und jetzt ist alles vorbei. Er geht auch nicht mehr hinaus aufs Feld. „Da wächst ja doch nichts Gescheites!“ sagt er immer wieder. Der Traum von seinem dichten Ährenfeld, das er ganz allein gesät hat, ist endgültig ausgeträumt.
6. Szene: Die große Überraschung
Und dann geschieht das völlig Unerwartete. Wieder stehen die Gefühle im Vordergrund, die im Verhalten und im Reden des Micha ihren Ausdruck finden. Mit dem Ausblick auf die Ernte soll dieses Aufblühen der positiven Selbsteinschätzung noch gesteigert werden.
Der Bezug auf Gott ist hier nur angedeutet, gewissermaßen als Anknüpfungspunkt für die weiterführende Eigentätigkeit der Kinder.
Die Monate vergehen und die Erntezeit ist nahe. Zufällig kommt Micha eines Tages wieder an seinem Acker vorbei. Und da steht er und kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Ein reiches Getreidefeld steht da vor ihm mit vollen Ähren. „Das kann doch nicht mein Feld sein!“ denkt er sich ganz verwundert, aber es ist seines. Genauso, wie er es beim Säen mit seinem inneren Auge gesehen hatte. „Das gibt es doch nicht!“ sagt er laut, klatscht vor Freude in die Hände und rennt gleich heim. „Mutter, Vater! Mein Feld ist doch noch ein richtiges Getreidefeld geworden! Es steht genauso prächtig da wie die anderen auch! Gott sei Dank dafür!“ – „In den nächsten Tagen schon können wir ernten“, sagt der Vater. Du wirst staunen, wie viele Körner aus deinem Feld kommen!“ Jetzt freut sich Micha auf die Ernte genauso, wie er sich damals auf das Säen gefreut hatte.
Gesprächsimpulse
- Wer hätte je gedacht, dass es noch eine so große Ernte gibt?
- Versuche mit deinen Worten zu sagen, wie es dem Micha ging, als er die ersten Male auf seinem Acker war?
- Saatgut ist teuer. Stell dir vor, was sich wohl Micha selbst vorwirft!
- Andere wären vielleicht nicht so freundlich mit ihm umgegangen wie seine Eltern. Was hätten die wohl zu ihm gesagt?
- Dieses Bild vom vollen Ährenfeld nimmt Micha tief in sich auf. In welchen anderen Situationen könnte er sich wohl daran erinnern?
- Micha erlebt die große Ernte auch als ein Geschenk von Gott. Kannst du dir denken, warum?
Anregungen für die Freiarbeit
l „...Und statt einer Antwort erzählte Jesus eine Geschichte...“ Du kannst dir Situationen vorstellen, in denen Jesus seinen Freunden genau diese Geschichte erzählt hätte. Erzähle sie mit deinen Worten nach. Wenn du Anregungen brauchst, lies nach in: Mt.13,53ff. / Mk.6,1ff; Mt.19,16ff; Joh. 13,36-38; 18,15ff.;21,15ff.
l Male die drei Begebenheiten in Micha enttäuscht ist, und ergänze sie mit Bildern, Zeitungsausschnitten, Texten aus unserer Zeit.
l Male dein eigenes Bild vom Misslingen und Gelingen
l Gestaltet eine Sprechszene. In ihr kommen vor:
- Micha und was er erlebt.
- Stimmen im Hintergrund, die ihm zuflüstern, was er noch nicht weiß und was ihm Mut machen könnte.
Führt diese Sprechszene anderen vor.
l Suche aus der Psalmenkartei diejenigen Worte aus, die gut zu den Erfahrungen des Micha passen! Schreibe sie in schöner Schrift.
l „...Und es brachte hundertfach Frucht!“ Gestaltet zu diesem Satz ein Türplakat für euer Klassenzimmer.
l Erinnere dich, wie dir selbst einmal etwas gründlich misslungen und etwas besonders gut gelungen ist. Male von beiden Erlebnissen ein Bild. Das eine mit Farben, die deinen Ärger zum Ausdruck bringen, das andere mit solchen, die deine Freude zeigen.
l Erzähle mit Stift und Papier in einem Comic von Michas Erlebnissen. Schreibe in Sprech- und Denkblasen, was er denkt, sagt, hofft.
l Weil das Unkraut so schnell wuchs, konnte Micha zuerst seine aufgegangene Saat darunter gar nicht entdecken. Male ein Suchbild, auf dem du zwischen wild wuchernden Unkräutern einige von Michas aufgegangenen Getreidehalmen versteckst.